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Wir sind Nomaden auf Skiern und jagen dem Powder sogar bis nach Pakistan hinterher. Im Karakorum ist aber der eigentlich Sport letztlich nur eine Randerscheinung gewesen.

Pakistan – Skiing for Freedom

Oftmals ist es doch so, dass wir erst auf Reisen in die entlegensten Zipfel der Erde die eigene Kultur besser kennenlernen. Dort haben wir die Chance, aus der Ferne über uns selbst zu reflektieren. Leider stellt man immer wieder fest, dass bei uns in Europa die Freude am Einfachen verloren gegangen zu sein scheint. Dass Facebook oder belanglose Insta-Posts von der Zeit im Schnee nicht wichtiger sind, als die Zeit ungefiltert zu ge­nießen, durfte Fotograf Andreas Vigl erfahren, der mit einer österreichischen Crew in Pakistan unterwegs war, um Kindern Skifahren beizubringen, Grenzen aufzubrechen und die reine Freude am Skifahren wiederzuentdecken.

Auf der Rückbank eines viel zu kleinen Allrad-Toyotas sitze ich einge­pfercht zwischen meinen Reisebegleitern und unserem Stuff, während aus dem Radio fremdartige Melodien in Dauerschleife dröhnen. Zwar gelingt es mir, eine halbwegs gemütliche Position zu erarbeiten, doch jeder Versuch, wenigstens für einen kurzen Moment etwas Schlaf zu finden, wird mit der Er­schütterung durch ein Schlagloch quittiert.

Neben der Enge und Straßenbeschaffenheit macht mir auch die Temperatur im Van etwas zu schaffen, denn die Klimaan­lage scheint wie gewohnt nur zwei Einstellungen zu kennen: Kühlschrank oder Sauna. Es ist also eigentlich alles wie immer, denn meine zahlreichen Ski-Trips auf der ganzen Welt begannen irgendwie alle so oder so ähnlich. Auch dieser in Pakistan.

Auf unserem Weg müssen wir immer wieder an einem der vielen Checkpoints anhalten, unsere Pässe vorzeigen und werden registriert – bei jedem dieser Stopps das gleiche Prozedere. Auch diese Erfahrungen kenne ich bereits aus anderen Ländern. Als aber irgendwann ein bewaffneter Offizier zu uns ins Auto steigt, um uns mit seiner Kalaschnikow Begleitschutz zu leisten, wird mir klar: Dieser Ski-Trip ist anders. Wir befinden uns auf dem Karakorum Highway in Pakistan.

Eine zweitägige Fahrt bringt uns von Isla­mabad in den nördlichen Teil des Landes vorbei an so schicksalshaften Bergen wie dem K2 oder dem Nanga Parbat bis in die Hunza-Region. Dort befindet sich mit Karimabad unser vorübergehendes Ziel. Von der letzten Stadt vor der afghanischen und chinesischen Grenze wollen wir in die Berge starten. Was bringt uns also hierher und wieso haben wir unsere Ski im Gepäck?

Eine verhängnisvolle ­Begegnung

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir unsere Geschichte etwas früher beginnen lassen – und zwar im Jahr 2012. Stephan Keck war damals auf einer Expedition am Manaslu in Nepal, bei der er ein pa­kistanisches Geschwisterpaar kennenlernte. Man kann sicherlich von Schicksal sprechen, dass der Tiroler Alpinist vor acht Jahren den Pakistani Mirza Baig und seine Schwester Samina in den Bergen traf – besonders wenn man mit den kulturellen und historischen Hintergründen des Landes vertraut ist. Pakistan ist, wie wir wissen, von Instabilität, Terror und Ungleichheit geprägt.

Darüber hinaus belegt das Land im internationalen Vergleich in Bezug auf Gleich­berechtigung den unrühmlichen vorletzten Platz. Es ist ein Land mit strengen Regeln und sehr traditionellen Strukturen. Sich gegen diese aufzulehnen kann schnell gefährlich werden – insbesondere für Frauen.

„Es kann schnell ­gefährlich werden, sich gegen diese Strukturen zur Wehr zu setzen, insbesondere für Frauen.“

Samina Baig wollte sich nicht diesem System fügen und fand trotz der massiven Benachteiligung von Frauen einen Weg zum Höhenbergsteigen. Schließlich schaffte sie es als erste Mus­limin überhaupt, alle Seven Summits zu besteigen. Aufgrund dieser Er­folge und ihres außergewöhnlichen Muts wird sie in Pakistan als Na­tio­nalheldin gefeiert und ist vielen Mäd­chen ein Vorbild. Diese Vorbildfunktion nutzte Samina und gründete mit ihrem Bruder Mirza das Pakistan Youth Outreach – eine Hilfsorganisa­tion, die den Keim der Veränderung in der Jugend und im Sport sieht.

Diese Geschichte traf bei dem ohnehin sozial veranlagten Stephan Keck auf hellhörige Ohren und so fand die nächste Begegnung bereits im Jahr darauf statt. Diesmal in ­Shimshal, einem abge­le­ge­nen Gebirgsdorf im Norden Pakis­tans, dem Heimatort von Samina und Mirza. Stephan hatte als Resultat einer Sammelaktion in Tirol 50 Paar Ski und Schuhe im Gepäck und einige junge Tiroler Skilehrer dabei. Der erste pakistanische Skikurs für die nächste Generation war geboren.

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