Exklusives Interview mit der Italienerin Arianna Tricomi, die 2020 zum dritten Mal in Folge den Titel als Freeride Weltmeisterin gewonnen hat.
Dieser Artikel wurde ursprünglich im PRIME Skiing Mag #26 veröffentlicht.
Ari Tricomi ist aus der Freeride World Tour (FWT) kaum mehr wegzudenken. Mit zwei dritten und zwei ersten Plätzen dominiert die Italienerin die Big-Mountain-Contests, seit sie 2016 zum ersten Mal bei der Tour an den Start ging. Da sollte das Triple doch der nächste Schritt sein, auch wenn sich die 27-Jährige den Gesamtsieg nicht zum Ziel gesetzt hat.
Interview: Roman Lachner
Hi Ari, Glückwunsch zum gelungenen Tourstart in Japan! Mit deinem zweiten Platz prasselt nun ein wahrer Geldregen auf dich nieder, seit dieser Saison erhalten die Mädels schließlich das gleiche Preisgeld wie die Jungs. Weißt du eigentlich, wie es genau zu diesem längst fälligen Schritt gekommen ist? Habt ihr Riderinnen etwa Druck ausgeübt oder ist die Rennleitung selber auf diese Idee gekommen?
Um ehrlich zu sein, wusste ich bis zu dem Moment, als ich ein Statement zu dieser Neuerung abgeben sollte, noch gar nichts von der neuen Regelung. Ich habe jedenfalls keinen Druck auf die Tour ausgeübt, weil ich persönlich die bisherige Aufteilung des Preisgelds nachvollziehen konnte. Zwar hätte der Gewinn eigentlich schon immer zu gleichen Teilen an die Gewinner ausbezahlt werden müssen, auch ohne Diskussion, aber ich habe mich wie gesagt vorher ebenfalls schon damit arrangiert. Generell ist die Anhebung unseres Preisgelds natürlich eine tolle Message an alle Mädels da draußen, um bei der Freeride World Tour und vorher bei der FWTQ mit noch mehr Motivation an den Start zu gehen.
Das sehe ich auch so. Das Level der Freeriderinnen hat sich in den letzten Jahren zwar immer weiter gesteigert, mit der neuen Regelung erfährt die Tour bei den Mädels aber sicher einen spürbaren Boost. Erzähl uns doch mal kurz, was sonst in Hakuba geboten war und mit wem du meistens abhängst.
Dieses Mal war es während des Contest-Fensters leider recht trocken und vom legendären „Japow“ war in Hakuba nicht viel zu sehen – oder zu spüren. Einerseits war es erschreckend, live mitzuerleben, wie auch hier der Klimawandel seine nicht zu leugnenden Spuren hinterlässt. Andererseits liebe ich das Skifahren, sodass wir auch bei den untypischen Verhältnissen in Japan unseren Spaß hatten. Generell verbringe ich während der gesamten Tour gerne meine Zeit mit den Rookies, weil sie komplett unverbraucht und extrem motiviert an den Start gehen. Dieses Jahr freue ich mich besonders, dass ich mit Konsti Ottner reisen darf. Mit meinem Mons-Royale-Teammate wird es definitiv nie langweilig.
Das kann ich mir vorstellen! Mit deinem Platz auf dem Treppchen zum Auftakt der Tour steht nach den Gesamtsiegen von 2018 und 2019 nun sicherlich das Triple auf dem Plan, oder?
Eigentlich habe ich mir kein konkretes Ziel gesetzt – außer, die Zeit während der Tour zu genießen. Ich würde mich natürlich sehr darüber freuen, wenn ich das Triple tatsächlich holen könnte, allerdings will ich meinen Winter definitiv nicht von Punkten und Resultaten abhängig machen. In unserer Sportart geht es im Grunde doch um etwas ganz anderes, oder?
Aber welchen Antrieb hast du dann, wenn Punkte und Resultate während der Tour nicht an erster Stelle stehen? Ohne die Reisen zu den einzelnen Stopps könnte man doch deutlich mehr Zeit im Schnee verbringen.
Ja, das stimmt, die FWT ist ein Zeitfresser und ohne die Events würde man bestimmt öfter auf den Latten stehen. Dennoch mag ich noch nicht aufhören, denn die Tour ist inzwischen zu einer Art Familie für mich geworden – all die Menschen, die um die Welt reisen und gemeinsam eine unglaublich tolle Zeit miteinander verbringen. Aus diesem Grund sehe ich die Comps auch eher als Möglichkeit, unvergessliche Momente mit diesen Leuten verbringen zu können, anstatt die Rider als Konkurrenz anzusehen. Die einzige Konkurrenz bei den Contest-Runs bin letztlich ich selber. Früher oder später schaffe ich aber den Absprung, habe mehr Zeit für mich und kann dann meine Leidenschaft genau so ausleben, wie ich es will.
In den letzten beiden Serien hast du die Konkurrenz jedenfalls klar dominiert. Ohne ein gewisses Maß an Ehrgeiz ist das wohl nicht machbar. Oder hast du als Italienerin eventuell die ideale Mischung aus Dolce Vita und innerem Anspruch gefunden?
In einer gewissen Art und Weise bin ich sicherlich ehrgeizig, sonst würde ich wohl kaum seit 20 Jahren bei Comps an den Start gehen. Ich bin oftmals sogar etwas zu streng mit mir selber, obwohl die italienische Seite inklusive Dolce Vita immer präsenter war und ist. Über all die Jahre habe ich gelernt, mich auch bei den Wettkämpfen zu entspannen. Ich versuche einfach, mit dem Flow zu gehen, und freue mich, die Stunden bis zu meinem Run relaxt angehen zu können. Meistens bleibt morgens noch genügend Zeit, um ein paar schnelle Laps drehen zu können. Dabei realisiere ich dann, dass ich im Grunde nur beim Skifahren bin, und der eigentliche Wettkampf verschwindet aus meinem Fokus.
Oder liegt dein Erfolg bei der Tour nicht doch einfach an einem ganz besonderen Frühstück, das du dir vor den Contests gönnst?
[lacht] Jetzt hast du mich tatsächlich erwischt. Ich liebe Frühstücken und schlage bei entsprechender Auswahl voll zu – vor allem bei den Eiern!
Und dass die wichtig für den Erfolg sind, hat uns Olli Kahn schon vor geraumer Zeit eindrucksvoll klar gemacht. Da wir schon zurückblicken: Hast du das Gefühl, dass du dich verändert hast, seitdem du dich als Profi international etablieren konntest?
Um eine reelle Einschätzung zu bekommen, müsstest du eher Außenstehende fragen als mich. Für meinen Teil kann ich nur sagen, dass ich mich kaum verändert habe, selbst wenn ich noch weiter zurückblicke als nur drei Jahre. Ich stehe immer noch mit dem gleichen Lächeln auf den Skiern wie damals mit 15 Jahren. Okay, wenn sich mein Riding nach einer wilden Partynacht etwas ungelenk anfühlt oder ich gar einen Crash kassiere, wird mir natürlich klar, dass ich keine 15 mehr bin.
Als Teenie macht man sich auch noch nicht so viele Gedanken um alles. Also wenn ich zurückblicke – na, lieber nicht… Als Profi verlangen die Sponsoren neben Top-Platzierungen bei Contests inzwischen auch viel medialen Content. Wie sieht’s bei dir im Umgang mit GoPros oder Insta360 Cams aus?
[lacht] In diesem Zusammenhang muss ich immer wieder über mich selbst lachen. Ich schaffe es zwar ab und an, eine GoPro mit auf den Berg zu nehmen, dann habe ich aber oft keine Speicherkarte eingelegt, die Batterie ist leer oder ich habe den Mount zu Hause vergessen. In diesem medialen Content-Bezug bin ich eher Hobby als Profi. Wir brauchen also gar nicht erst anzufangen, uns über Insta360 Cams zu unterhalten.
Schön, dass der Sport für dich im Vordergrund steht und nicht die virale Welt! Du bezeichnest dich selbst nicht als Freeriderin, sondern als ganzheitliche Skifahrerin. Was heißt das für dich und was macht generell Skifahren für dich aus?
Im Grunde ist es ganz einfach: Ich liebe nicht das Freeriden, sondern das Skifahren in all seinen Formen und passe mich den aktuellen Bedingungen an. Ich muss also nicht zwangsläufig heftige Big-Mountain-Lines angehen, was ich im Grunde eigentlich eh nur selten tue, weil ich auch gerne im Park shredde oder sogar auf der Piste Kante gebe. Skifahren ist meine große Leidenschaft und für all die Momente, die ich auf Skiern erleben durfte, bin ich sehr dankbar.
Neben Skifahren ist das Surfen offensichtlich auch eine deiner Leidenschaften – wenn man deinen Posts auf Facebook oder Insta glauben darf.
Ich glaube, das täuscht etwas. Ich stehe zwar gerne auf dem Surfboard, aber wenn ich meine Ski-Boots im Mai oder sogar erst im Juni an den Nagel gehängt habe, verbringe ich tatsächlich die meiste Zeit in den Bergen. Ich fahre gern mit dem Mountainbike und seit vergangenem Sommer hat mich das Klettervirus gepackt. Nach der langen Saison im Schnee freue ich mich jedes Mal auf die Pause. Gleichzeitig steigt aber auch die Vorfreude, endlich wieder in die Skibindung zu steigen.
Und dann dreht sich das Reiserad aufs Neue. Gibt es für dich generell noch etwas wie einen Lebensmittelpunkt? Schließlich kommst du ursprünglich aus Alta Badia, wohnst inzwischen in Innsbruck, aber lebst wohl die meiste Zeit aus Surf- und Ski-Bags.
Im Winter reise ich zwangsläufig recht viel, stimmt. Ich versuche aber auch, eine längere Zeit an einem Ort zu verweilen. Und das war in den letzten Jahren, wie du schon gesagt hast, Innsbruck. Je länger ich in Tirols Hauptstadt wohne, desto besser gefällt mir das Leben dort. Ich war aber tatsächlich auch häufiger zu Hause in den Dolomiten und habe erst wieder feststellen dürfen, wie unglaublich schön dieser Teil der Alpen ist. Auch wegen der vielen Trips im Winter bin ich im Sommer wohl etwas reisefaul geworden – oder weil ich älter geworden bin? Vielleicht habe ich mich auch aus diesem Grund im letzten Sommer auf eine Haussanierung in Tirol eingelassen. Bis alles fertig ist, werde ich viel Zeit in den heimischen Wäldern verbringen müssen. [lacht]
Da sind wir schon gespannt, wenn wir uns zum Grillen bei dir einladen im Sommer – oder wenn dein Haus in den Bergen fertig ist. Viel Erfolg bei der restlichen Tour!