Werbung
0,00 €

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

Werbung
0,00 €

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

Skischuh-Trends: Der aktuelle Stand und wie der Markt sich weiterentwickelt

Interview & Fotos: Roman Lachner

Nach den jüngsten Entwicklungen bei Tech- und Hybrid-Bindungen scheint jetzt die Zeit für Neuerungen im Boot-Sektor gekommen zu sein. Wir haben Sebastian Steinbach als Chef von „blacksheepsports“ und Boot-Fitter-Profi aus den Katakomben seines Shops vors Mikrofon geholt und über den Skischuh-Kosmos befragt.

Die Entwicklung im Skischuh-Sektor: Hybrid-Modelle im Fokus

Hi Basti! Wenn’s um Boots geht, gibt es für uns von PRIME Skiing nur einen Fach­mann, nämlich dich. Sag doch mal: Wohin geht die Reise momentan und was wollen die Leute da draußen an ihren Füßen ­haben?

Hi Roman, merci für die Blumen! Wie in den letzten Jahren auch schon dreht sich in diesem Sektor mehr oder weniger alles um die Ein-Schuh-Lösung. Wir müssen uns aber wirklich einmal die Frage stellen, ob dieser Hybridschuh in seinem vollen Spektrum genutzt wird oder eben nicht. Oder besser, ob so ein Skischuh überhaupt für einen Großteil der Käufer sinnvoll ist.

Natürlich ist ein solider Boot mit Gehfunktion völlig ausreichend, wenn ich nur wenige Tage pro Jahr im Skiurlaub verbringe und mit dieser Strategie extrem flexibel auf die gegebenen Bedingungen reagieren kann. Auf der Piste und im Gelände generieren die­se Modelle für die meisten Skifahrer tat­säch­lich ausreichend Stabilität. Und sollten es die Schneeverhältnisse zulassen, könnte man auch spontan einen Tourentag einlegen. So gesehen macht dieses Konzept wirklich Sinn.

Ich muss mir aber darüber im Klaren sein, dass ich mit dieser Ausrichtung auch Einbußen in Bezug auf die Performance in Kauf nehmen muss. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mir mit diesen im Vergleich zu klassischen Touren-Skischuhen schwereren Modellen in Kombination mit schwereren Skiern und auch Bindungen schneller Blasen laufe und im Aufstieg auch mehr Körner verbrenne, liegt auf der Hand.

Und falls dieser Winter so schneearm wie der letzte startet, will man auf den eisigen Pisten lieber einen engen und harten Race-Boot spüren. Wie gesagt: alles eine Frage der Skitage.

Dennoch muss ich sagen, dass sich in diesem Bereich wohl am meisten tut und die Hybrid-Boots auch immer besser werden.

Die aktuell beliebten Hybrid-Skischuhe bieten Flexibilität für verschiedene Bedingungen, doch man sollte sich bewusst sein, dass sie in puncto Performance Kompromisse mit sich bringen.
Die aktuell beliebten Hybrid-Skischuhe bieten Flexibilität für verschiedene Bedingungen, doch man sollte sich bewusst sein, dass sie in puncto Performance Kompromisse mit sich bringen.

Die Herausforderungen der Ein-Schuh-Lösung: Für wen eignen sich Hybrid-Boots wirklich?

Ich bin ja auch so ein Hybrid-Kollege, auch wenn ich deutlich mehr als ein paar wenige Tage pro Winter im Schnee stecke. Meine „Lupo“ passen einfach wie angegossen und ich nehme die an­ge­sprochenen Einbußen gerne in Kauf. Was tut sich denn so in dieser Gattung, wenn ich fragen darf?

Generell wird das Angebot immer größer. Das liegt primär daran, dass Freeride-Boots mit Gehfunktion immer leichter konstruiert werden, ohne groß an Stabilität zu verlieren. Darüber hinaus drängen klassische Tourenmodelle, die jetzt abfahrtsorientierter daherkommen, in den gleichen Markt. Das riesige Sortiment macht es für den Kunden somit recht verwirrend – beziehungsweise es wird für uns Verkäufer und Boot-Fitter immer schwie­riger, für den Kunden den passenden Schuh zu finden.

Oftmals weiß er ja nicht einmal, was er eigentlich will. Aus diesem Grund ist es für uns beim Verkauf im Shop so unglaublich wichtig, die Käufer mit Fragen zu löchern. Nur so arbeiten wir uns zum geeigneten Modell vor. Das klappt aber auch nur, wenn dieser ehrlich zu sich selbst ist. Ich sage nur: Realität versus Illusion.

Natürlich sehen wir uns alle beim radikalen Freeriden in tiefstem Powder. Ich kann jetzt zwar nur von mir sprechen, aber während meiner 31 Skitage der letzten Saison habe ich es gerade mal einen halben Tag ins unverspurte Gelände geschafft. Das mag wohl auch daran liegen, dass ich von Januar bis April nur sonntags und montags hier aus dem Laden komme. Und das hat irgendwie mit den Schneefällen nicht harmoniert.

Aus diesem Grund sind meine Skier eher in Richtung On-Piste gedriftet. Das Gleiche gilt für den Boot auch.

Das ständig wachsende Sortiment an Freeride- und Touren-Skischuhen macht die Auswahl schwieriger, weshalb eine ehrliche Selbsteinschätzung des eigenen Fahrverhaltens beim Kauf unerlässlich ist.
Das ständig wachsende Sortiment an Freeride- und Touren-Skischuhen macht die Auswahl schwieriger, weshalb eine ehrliche Selbsteinschätzung des eigenen Fahrverhaltens beim Kauf unerlässlich ist.

Neue Player im Skischuh-Markt: Faction und Armada steigen ein

Was tut sich sonst bei den klassischen Boot-Herstellern?

Der Skischuhmarkt scheint generell immer noch sehr interessant zu sein – auch für Brands, die bislang in dem Boot-Game noch nicht mitgespielt haben. Faction und Armada tüfteln beide seit geraumer Zeit an einem eigenen Skischuh he­rum und werden sicherlich schon bald Modelle auf den Markt bringen.

Die Antwort darauf, warum sie sich diesen Sprung antun, ist eigentlich ganz einfach, denn der Boot wird in Zukunft wohl der einzige Gegenstand deiner Ausrüstung sein, den du noch besitzt. Dass man inzwischen auf beinahe alle Ski-Modelle im Rental-Service zurückgreifen kann, hat sich ja wohl he­rumgesprochen Inzwischen hat sich das Verleihmodell aber auch auf die Ou­ter­wear aus­ge­weitet.

Wie gut dieses Business funk­tionieren kann, beweist uns Burton in den USA. Die Zahlen der ausgeliehenen Produkte steigt dort stetig an. Ein ähnliches Modell fährt in Europa beispielsweise Picture, auch wenn wir hier im Alpenraum noch meilenweit von dem entfernt sind, was inzwischen in Nordamerika möglich zu sein scheint. Die Alte Welt ist einfach immer etwas langsamer.

Ausschlaggebend für diesen Trend ist natürlich die jüngere Generation mit ihrem Bestreben für Nachhaltigkeit: Sharing is caring. Wenn sich meh­rere Leute Ausrüstung teilen, muss weniger produziert werden. Das ist eine einfache Rechnung. Ähnliches gilt auch, wenn die Lebensdauer der Artikel verlängert wird. Patagonias „Worn Wear“ ist in diesem Bezug ein tolles Beispiel. Auch wenn mein Stuff länger hält und ich somit nicht so schnell neuen kaufen muss, trage ich zur Nachhaltigkeit bei.

Vielleicht geht es aber auch bald in eine komplett neue Rich­tung und es wird on demand produziert. Das würde dann endlich das Pro­blem der Überproduktion beseitigen.

In der Wintersportbranche ist einfach zu viel Ware im Umlauf, die dann irgendwann verramscht werden muss, um Platz zu schaf­fen für Neues.

Der Skischuhmarkt zieht zunehmend auch neue Marken an, während der Trend zu Verleihmodellen und nachhaltiger Nutzung von Ausrüstung die Branche verändert und die Überproduktion in Frage stellt.
Der Skischuhmarkt zieht zunehmend auch neue Marken an, während der Trend zu Verleihmodellen und nachhaltiger Nutzung von Ausrüstung die Branche verändert und die Überproduktion in Frage stellt.

Die Fahrradbranche hat dieses Problem übrigens mit einer künstlichen Verknappung ganz gut in den Griff bekommen. Hier zahlen Kunden wirklich den vollen Preis. Anders im Wintersport, wo wir in den letzten Jahrzehnten wirklich jeden so erzogen haben, dass er nach Weihnachten auf seine 30 Prozent Discount hoffen darf.

Verleih oder Kauf: Warum der eigene Skischuh unverzichtbar bleibt

Wir waren aber doch bei den Ski-Boots und Verleih…

Stimmt. Der Skischuh lässt sich nicht so einfach in dieses Rental-System integrieren, denn das funktioniert nur bedingt für ambitionierte Skifahrer. Da spreche ich jetzt gar nicht mal von hygienischen Gesichtspunkten, sondern nur vom individuellen Fit. Mit einer geliehenen Klamotte, die nicht perfekt sitzt, oder einem Ski, der doch nicht ganz deinem Riding entspricht, kannst du immer noch einen lässigen Skitag erleben. Mit einem Boot, der schon nach fünf Mi­nu­ten schmerzt, hat sich der Ausflug in den Schnee im schlimmsten Fall schon an der Talstation erledigt.

Aus diesem Grund empfehlen wir allen – auch denjenigen, die nur fünf bis acht Tage pro Winter auf Skiern stehen –, sich einen guten Boot zuzulegen. Wenn du den gut pflegst, nach dem Skifahren die Schnallen schließt, den Innenschuh nach dem Trip trocknest, dann hast du viele Jahre einen treuen Wegbegleiter an deinem Fuß.

Ein individuell passender Skischuh ist entscheidend für einen gelungenen Skitag, weshalb selbst Gelegenheitsfahrer in ein gutes Modell investieren sollten, das bei richtiger Pflege jahrelang hält.
Ein individuell passender Skischuh ist entscheidend für einen gelungenen Skitag, weshalb selbst Gelegenheitsfahrer in ein gutes Modell investieren sollten, das bei richtiger Pflege jahrelang hält.

Der richtige Startpunkt: Warum der Skischuh das Herzstück jeder Ausrüstung ist

Angenommen, jemand will sich ein komplett neues Set-up zulegen. Mit was fängt er eigentlich an: mit dem Boot oder mit dem Ski?

Na gut, das ist jetzt wirklich keine Raketentechnik. Wir fangen natürlich mit dem Boot an, alles andere ist zunächst unwichtig. Skier sind austauschbar, obwohl sie doch das Herzensprodukt eines jeden Skifahrers sind. Jeder von uns definiert sich eher über die Latte am Fuß als über den Skistiefel, den er trägt. Alle reden nur über Ski.

Doch um es kurz und prägnant zu formulieren: Den Ski willst du, den Boot brauchst du. Inzwischen kannst du ja in den größeren Ski-Resorts auf eine riesige Bandbreite an Skiern zurückgreifen, die du leihen kannst. Da stehen jetzt auch richtig geile Freeride-Latten in den Rental-Shops.

Früher hatte man nur zwischen Allroundern oder Pistenskiern wählen können. Im Frühwinter ist das Angebot sogar noch grö­ßer, denn auf den Gletscher-Testivals kannst du komplett aus dem Vollen schöpfen, wenn alle namhaften Brands ihre Zelte aufschlagen. Du benötigst also „lediglich“ einen passenden Boot. Und um den zu finden, musst du etwas Zeit investieren. Du musst deinen Fuß kennen und dein Riding so gut wie möglich einschätzen.

In einem guten Shop stellt der Verkäufer also die entsprechenden Fragen, um sich dann zum optimalen Modell vorzuarbeiten.

Der richtige Skischuh ist entscheidend: Während Skier leicht ausgetauscht werden können, muss der Boot perfekt passen, um das beste Fahrerlebnis zu garantieren.
Der richtige Skischuh ist entscheidend: Während Skier leicht ausgetauscht werden können, muss der Boot perfekt passen, um das beste Fahrerlebnis zu garantieren.

Was ist denn nun das wichtigste Kriterium, um den passenden Boot für mich zu finden?

Das Wichtigste ist wirklich, dass der Schuh nicht zu flach sein darf, denn entgegen gefährlichen Halbweisheiten lässt sich die Schale nicht in die Höhe, sondern nur in die Breite ziehen. Du musst also nach einem Modell suchen, das von der Ferse über den Spann bis zum Instant-Bereich der Wade und auch an der Zehenbox am besten sitzt.

Jetzt bieten sich dir zwei Optionen: Entweder bist du drückende Skischuhe gewohnt und kommst mit dem Kompromiss aus Performance und Schmerzen klar oder du suchst den nächs­ten Boot-Fitter auf, der dir Schale, Sohle und Innenschuh individuell anpasst.

Der Skischuh der Zukunft: Kann das BOA-System die Schnalle ersetzen?

Letzte Frage: Wie sieht der Skischuh der Zukunft aus?

Wir müssen jetzt wirklich nicht so tun, als ob wir in die Kristallkugel glotzen. Wahrscheinlich hast du es ohnehin schon mitbekommen, dass an BOA ab diesem Winter wohl kein Vorbeikommen mehr ist.

Bislang wurde das Drehsystem der Snowboarder bei uns Skifahrern lediglich in den Sektoren Touren- und Komfort-Boots ausgewählter Brands adaptiert. Jetzt haben aber große Brands wie Fischer, K2, Salomon oder Atomic vom Hybrid- über einen Alpin- bis hin zum Freeride-Schuh Modelle im Programm, die alle mit dem Boa-System bestückt sind.

Es wird sicherlich interessant, wie der Handel reagiert und was er aus diesem neuen Angebot macht. Womöglich müssen die Modelle alle nur noch in einer Leistenbreite bestellt werden, denn einmal am Rädchen gedreht und der Schuh sitzt – an jedem Fuß. Aber es wird sich erst noch zeigen, ob das System mit der Performance bewährter Schnallen-Modelle mithalten kann.

Ich muss leider sagen, dass wir in Europa nicht die Testmöglichkeiten hatten wie in Nordamerika. Dort hatten die Shops seit letztem Dezember Zeit, sich mit diesem in­ter­es­santen Thema und diversen Tests ausei­nan­derzusetzen. Bei uns in Deutschland war das leider nicht der Fall. Für die großen Brands sind wir vom „blacksheeps“ wohl einfach zu klein, als dass sich einer der Vertreter mal die Mühe gemacht hätte, uns in München zu ­besuchen.

Sebastian Steinbach ist als Boot-Fitter weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und bildet auch bei Masterfit Europe und der Sidas Academy Black Level aus.
Sebastian Steinbach ist als Boot-Fitter weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und bildet auch bei Masterfit Europe und der Sidas Academy Black Level aus.
- Werbung -