Am nördlichsten Zipfel des Wallis liegt mit dem Val d’Anniviers eine wahre Perle verborgen, die sich gerne hinter den Platzhirschen Zermatt, Verbier und Saas-Fee versteckt.

Die besten Skigebiete der Alpen: Val d’Anniviers (Schweiz)

Vom Autobahnende schlängelt sich langsam eine schmale und kurvenreiche Passstraße nach oben, bis in Zinal der gleichnamige Gletscher den Weg zu den imposanten Gipfeln versperrt – oder zumindest früher noch versperrte. Insgesamt beinhaltet das Tal mit Vercorin, Saint-Luc/Chandolin und Grimentz/Zinal gleich drei Destinationen, die alle ihren eigenen Charakter besit­zen.

Zinal

Ganz hinten im Tal, wo der Zinalgletscher, der übrigens aus der Zusam­men­kunft der drei Gletscher Grand Cornier, Durand und Mountet gespeist wird, einst seinen Eisrand hatte, wollen wir unseren Streifzug beginnen und uns schrittweise zum Talausgang vorarbeiten. Zinal ist zweifelsohne das bekannteste Resort im Tal und mit Gipfeln, die knapp an der 4.000er-Marke kratzen, auch meist das schneesicherste. Doch nicht nur die Höhe konserviert dort die weiße Unterlage länger als in den anderen Partner-Skigebieten, sondern die Ausrichtung des gesamten Resorts nach Nordost. Ihr seht also schon jetzt, wohin die Reise führt: Freeriden satt! Und das ohne die große Powder-­Konkurrenz, die sich in Verbier oder am Matterhorn um die besten Runs battlet. In Zinal geht alles etwas entspannter zur Sache und die zahl­losen Varianten warten nach Schneefällen oft tagelang geduldig auf ihre Besucher.

Foto: Christoph Jorda, Rider: Jochen Reiser

Erste Anlaufstelle ist für Neulinge zumeist der 3.310 Meter hohe Garde de Bordon. Unter­halb des Gipfels haben die Betreiber ein 100 Hektar fassendes Areal für Freerider ausgewiesen, das von 3.000 Metern bis 2.400 Meter herunterreicht. Diese Sektion ist allerdings nur zugänglich, wenn die allgemein gültige Lawinenskala unter die Stufe drei hüpft. Weitere lohnende Runs findet ihr am Corne de Sorebois. Die steilen, unbewaldeten Runs mün­den früher oder später alle in einen verspielten Wald. Vor dem Bau der Verbindungsgondel gehörte der Tree Run bis hi­nun­ter nach Grimentz zu den absoluten Highlights an Tagen mit schlechter Sicht oder erhöhter Lawinengefahr. Inzwischen ist der Großteil des bewaldeten Sektors unter Naturschutz gestellt und somit leider für uns tabu. Eine der schönsten Freeride-Varianten führt vom Ausstieg des Combe-Durand-Schlepplifts auf der anderen Seite des Grats in westlicher Richtung hinunter zum Lac de Moiry. Nach dem chilligen Run hinunter zum Stausee geleitet euch das Tal automatisch bis nach Grimentz.

Foto: Christoph Jorda

Wir bleiben aber noch etwas in Zinal, denn mit dem Mammut Avalanche Training Center wollen die Betreiber alle Freerider für den Ernstfall rüsten und dabei helfen, dass sie ihr eigenes Material optimal nutzen können. Auf einem 5.000 Quadratmeter großen Areal sind 16 LVS-Geräte vergraben, die es zu orten gibt. Dieses Worst Case Scenario wünschen wir keinem, Übung schadet aber bekanntlich nie.

Grimentz

Vor Zinal auf der westlichen Seite des Val d’Anniviers gelegen, gilt Grimentz als eines der schönsten histo­ri­schen Bergdörfer in den Alpen. Da lohnt sich sogar für uns Kulturba­nausen ein kurzer Bummel durch die schmalen Gassen zwischen den jahrhun­der­te­alten Holzhäusern, bevor wir uns die notwendigen Kalorien für den nächsten Tag in Form eines opulen­ten Mahls zwischen die Kiemen schieben. Schließlich wollen wir gleich am fol­gen­den Morgen wieder durch den Kessel heizen, der sich zwischen Becs de Bosson und Roc d’Orzival spannt.

Foto: Christoph Jorda, Rider: Jochen Reiser

Im Schatten des Letzteren befindet sich auch ein kleiner Snowpark. Diese kleine Style-Oase hat ein wirkliches „Schwer­gewicht“ in ihren Reihen: ein 200 Quadratmeter großes Luftkissen, auf dem ihr euch schmerzfrei an die wildesten Inverted-Tricks wagen könnt. Sobald ihr diese ohne Abzüge in der B-Note auf die weiche Unterlage set­zen könnt, wird es Zeit, das neu Erlernte in den Schnee zu transferieren. An den Rändern der nach Osten geöffneten Bowl findet ihr sicherlich einen geeigneten Spot für euren First Try. In diesem Gelände stecken auch zahlreiche kleinere Lines, die ihr alle von den Liften aus komplett einsehen könnt. Bei ausreichend Neuschnee dürft ihr euch eine Etage tiefer mit leckeren Tree Runs bis hinunter nach Grimentz austoben. Wenn hier alles abgegrast ist, wartet schon der nächs­te Spot auf euch.

Foto: Christoph Jorda, Rider: Jochen Reiser

Saint-Luc/Chandolin

Die wahre Freeride-Perle des Val d’An­­niviers ist definitiv der Gebiets­zu­sam­menschluss von Saint-Luc und Chandolin. Auf der östlichen Seite des Val d’Anniviers erstreckt sich das Gebiet bis auf 3.000 Meter Höhe, wobei die zwei großen Kessel ein scheinbar unendliches Freeride-Poten­zial generieren. Die ersten pistennahen Varianten werden euch sofort ins Auge fallen, ganz egal ob ihr von Saint-Luc oder Chandolin zu eurer Mission einsteigt. Das Zentrum für al­le adrenalingeladenen Freerider ist eindeutig die Liaison – der Grat, der die beiden Gebiete geomorphologisch trennt. Dort findet auch alljährlich der First-Track Freeride statt, der inzwischen sogar als ***FWQ-Event zählt.

Besagter Grat ist auf die nach Chandolin abfallende Seite mit zahllosen Rinnen gespickt und bietet Möglichkeiten für mehr als nur einen Trip ins Wallis. Und in diesen Genuss kommen auch alle hike-faulen Hobby-­Shredder, da man vom Ausstieg des Col-des-Ombrintzes-Schlepplift direkt und ohne Aufstieg an alle Einstiege gelangt. Heureka! Allerdings sei an dieser Stelle auch etwas gewarnt, denn das Terrain der Liaison ist absolut auf FWT-Niveau und etliche der steilen Couloirs laufen nicht immer gemütlich aus, sondern enden gerne in BASE-jump-tauglichen Cliffs! Spottet also eure Lines vorher gemütlich vom Restaurant „Le Tsapé“ aus, bevor ihr blind in eines der besten „Trainings-­Areale“ der Alpen droppt.

Foto: Christoph Jorda, Rider: Jochen Reiser

Neben diesem absoluten Schmankerl finden sich natürlich noch unzählige wei­tere Freeride-Varianten – wie zum Beispiel die ausgewiesene Route von der Bella Tola oder zahlreiche klei­ne­re Lines am Pas de Bœuf. Und die­jeni­gen unter euch, die über die Ski­gebiets­grenzen hinausblicken wollen und Höhenmeter fressen wie ge­stan­dene Bayern Leberkässemmeln, finden hier großartiges Gelände für Skitouren auf allen Niveaus. Zu emp­feh­len wären entweder die Bella-­Tola-Umrundung zum Aufwärmen oder der Toûno für alle, die noch nicht genug von steilen Couloirs haben.

Vercorin

Von der Freeride-Perle traveln wir nach Vercorin, dem kleinsten und un­scheinbarsten Skigebiet des Val d’An­niviers. Es liegt direkt auf der west­lichen Stirnseite des Tals mit komplettem Blick auf das Rhonetal. Dieses Resort ist allerdings eher für Familien oder Genussskifahrer zu empfehlen und weniger eingefleischten ­Freeridern.

Abschließend bleibt nur noch zu sagen, dass das Val d’Anniviers definitiv mehr als nur einen Abstecher wert ist. Also pack deine Kumpels ein, such dir ein gemütliches kleines Chalet und entdecke das Unterwalliser Free­ride-Potenzial auf eigene Faust.

Alles über das Val d’Anniviers auf einen Blick

Resort

Website: www.valdanniviers.ch
Höhenlage: 1.300 bis 3.000 Meter
Open: bis Ende April
Liftanlagen: 1 Standseilbahn, 3 Großraumgondeln, 2 Umlaufgondeln, 8 Sessellifte, 26 Schlepplifte, 5 sonstige
Pisten: 195 km präparierte Abfahrten

Verbund

Magic Pass

Parks

+ Grimentz Snowpark
+ Family park Vercorin
+ Snowpark Chandolin

Freeride

+ Avalanche Training Center Zinal
+ Backcountry Touren mit Guides
+ Freeriden ist nur auf den gesicherten Freetracks möglich
+ Außerhalb der Freetracks ist Freeriden nur mit einem Bergführer zu

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