Vinz Wörle von der Bavarian Dudes Crew aus Bayern ist als Slopestyle Judge bei den Olympischen Spielen in Peking mit dabei und wir haben ihn über die Situation vor Ort, die Bewertung von Multi-Option-Features, Diskussionen über die politische Lage und das X Games Big Air Judging von Matej Svancer befragt.

Hi Vinzi, du bist vor kurzem in China gelandet. Wie hast du die Ankunft dort erlebt? Wenn man manchen Medien glauben darf, fühlt man sich dort als würde man auf einem anderen Planeten landen.

Hey Jörg, ja genau. Vielleicht muss man hier schon ein bisschen früher anfangen. Wir alle haben die letzten 14 Tage täglich unsere Temperatur gemessen, Gesundheitsfragebögen sowie weitere etliche Formulare ausgefüllt, Kontakte reduziert, dann zwei Mal alle 96 Stunden PCR Tests gemacht, die dann 72 Stunden vor dem Abflug nach China geprüft wurden. Vor dem Hintergrund, konnte man schon sich ganz gut darauf einstellen, was einen vor Ort erwartet.

Die Ankunft empfand ich dann gar nicht so schlimm, eigentlich ging alles „relativ“ schnell, aber ja, wenn jeder, der einem begegnet in Pandemie-Anzug, Brille, Handschuhe, Faceshield und Masken eingepackt ist, ergibt sich ein komisches Ambiente. Wobei man natürlich auch sagen muss, dass es im Hinblick auf Corona eine Monsteraufgabe ist, die Sicherheit für so viele Leute zu managen.

Was machst du aktuell vor Ort und wie sieht dein Zeitplan für die kommenden Tage bis zu den Slopestyle Contests aus?

Gerade sind wir im Hotel in Peking, gleich neben dem Big Air Venue und hier bleiben wir bis einen Tag nach dem Event. Dann nehmen den Zug nach Secret Garden, wo der Slopestyle und Halfpipe Contest stattfinden wird.

Derweil ist hier noch das Big Air Training angesagt, das wir uns jetzt Tag für Tag anschauen, um ein Gefühl für die Tricks zu bekommen und was uns erwartet. Eigentlich judgen Tobi, Tori und ich nur Slopestyle, aber mit Covid ist hald nichts in Stein gemeißelt und Backups schaden nicht. Auch nur zum Zuschauen ist es richtig sick, das Level ist komplett gestört!

Wie frei kannst du dich vor Ort generell und auf den Sportstätten bewegen?

So mehr oder weniger, wir bewegen uns in unser eigenen Bubble mit den anderen Leuten von der FIS sowie den Shapern und diese können wir auch nicht verlassen. Somit beschränkt es sich aktuell auf unsere Hotel sowie das Big Air Areal. Innerhalb dieser Grenzen können wir uns aber recht normal bewegen.

Ein VPN gehört aber zur Grundausstattung, sonst wird’s schwer mit WhatsApp, Instagram & Co.

Ist die politische Lage bei euch unter den Judges ein Thema oder konzentriert ihr euch ausschließlich auf das sportliche Geschehen?

Wir sitzen ja den ganzen Tag zusammen, also ist die politische Lage definitiv ein Thema, aber zu laut darüber reden will auch niemand, wer weiß, wer so mithört. Kritik ist ja bekanntermaßen nicht gerne gehört. Meiner Meinung nach sollten die Spiele unpolitisch sein, aber für mich sind Menschenrechte keine rein politische Frage, sondern eine absolute Voraussetzung für alles.

Aber auch über das „Sportliche“ gibt es hier viel zum diskutieren. Bis jetzt sind alle Rider super stoked gut zu perfomen und dem Setup sowie dem Training nach zu urteilen, steht dem hier nichts im Wege.

Lass uns kurz über den Slopestyle Kurs sprechen. Wie gefällt dir persönlich der Kurs und wie schätzt du das Setup ein im Vergleich zu den Weltcups sowie bei den X Games?

Der Kurs schaut echt ober geil aus, ich bin schon gespannt auf die ganzen geilen und kreativen Lines, die wir hier sehen werden. Ich selber werde zusammen mit Vegard Oye die ersten zwei Rail Features judgen, wo es echt mega viele Optionen gibt.

Im Vergleich zu anderen Events merkt man vor allem, dass hier an nichts gespart wurde und die Shaper viel Zeit hatten, coole Ideen umzusetzen. Geld und Platz sind sonst schon gerne ein Faktor.

Features mit mehreren Optionen sind in der Szene sehr beliebt, da sie mehr Kreativität zulassen. Wie schwierig ist es Multi-Features, wie zum Beispiel Section 5 beim Slopestyle Kurs mit Kicker, Roller und Quarter zu judgen? Gibt es bei solchen Features häufiger Meinungsverschiedenheiten unter den Judges?

Pauschal lässt sich das leider nicht genau sagen, da es immer abhängig vom jeweiligen Feature ist, also wie es geshaped ist, Speed, Landung, Anfahrt, Position im Course – also welches Feature kommt davor oder danach.

Aber oft ist es eigentlich ganz cool, weil sich z.B. die einzelnen Rails in ihrer Schwierigkeit stark unterscheiden, was uns beim Judgen hilft und abgesehen davon ist es einfach sick, wenn sich die Rider entfalten können und nicht nur zwischen einer Downbox und einem Double Kinked entscheiden müssen.

Oft sind aber auch kleine Details ausschlaggebend, die sich nur im Training bemerkbar machen und im Live-Feed leicht untergehen, wie Entfernungen bei Transfers oder Takeoffs, beschissene Anfahrten oder komische Winkel, Speed Management und ähnliches.

Bei Jumps ist es das Gleiche, auch wenn es hier nicht so viele Optionen gibt und im Falle der Section 5 wird es sich auch erst zeigen, wenn wir wirklich vor Ort sind.

Aber generell lässt sich vielleicht sagen, dass neue Tricks oder Herangehensweisen gut gescored werden, wenn der restliche Run die Möglichkeit dazu gibt – das wird glaube ich gerne mal vergessen. Mit dem neuen SBS (Anm. d. Red.: Section by Section) Format lässt sich das in den Section-Scores gut nachempfinden.

Und ja, natürlich haben wir auch gelegentlich Meinungsverschiedenheiten, die gerne auch heiß diskutiert werden, dann dauert’s auch mal ein bisschen länger mit den finalen Scores.

Wer sind die andere Slopestyle Judges neben dir?

Also insgesamt sind wir hier 10 Judges. Unser Head Judge ist David Ortlieb aus der Schweiz, dann weitere 9, von denen 6 alle 3 Freeski-Events judgen: Charly Royer aus Frankreich, Vegard Oye aus Norwegen, Adam Frisell aus Schweden, Ian Meader aus den USA, Phil Larose aus Canada, Chiho Takao aus Japan, und dann noch die letzten 3 nur für das SBS Judging (Section By Section: 40% Overall und pro Sektion 10%, also zusammen 60%). Im Slopestyle sind dann noch Tobi Gratz aus Österreich, Tori Beattie aus Australien und ich mit dabei.

Etwas Off-Topic aber es ist ja gerade ein heiß diskutiertes Thema ist: Wie ist deine Einschätzung zu dem Big Air Judging von Matej Svancer bei den X Games? Bisher gab es von Seiten der X Games keinen Kommentar zu dem Sachverhalt, die Szene inclusive Matej ist sich aber einig, dass die Judges ein Fehler begangen haben, ihn nun aber totschweigen.

Ich habe noch nie bei den X Games gejudget, aber das Format finde ich ehrlich gesagt auch nicht unbedingt sinnvoll. Ich meine, der Sinn von zwei Jumps ist es doch Abwechslung (Variety) in eine Big Air Comp zu bringen – übrigens auf Drängen der Rider hin, nicht von den Judges – und hierfür ist definitiv “2 aus 4 Runs” die bessere Variante oder man macht halt ganz klassisch “Best Trick”, damit wäre auch alles klar verständlich. Aber Show bleibt Show.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wer dieses Jahr die X Games gejudged hat und wie die X Games sowas managen, aber ja, Fehler sollte man eingestehen. Ich glaube, dass hier seitens der Organisatoren nie richtig kommuniziert wurde, wie genau zwei unterschiedliche Tricks definiert sind. Wenn man es ganz genau nimmt, verändert schon der Grab einen Trick oft schon komplett. Der Frust ist natürlich verständlich.

Vielen Dank für das Interview Vinz und viel Erfolg beim judgen der Slopestyle Competitions.

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