Pünktlich zum Online-Release seines Full Movies „Fire on the Mountain“ haben wir Mastermind Chris Benchetler im exklusiven Interview zu diesem einzigartigen Projekt mit Fragen gelöchert.
Chris Benchetler hat mit seinem kreativen Riding Freeskiing maßgeblich beeinflusst. Aber nicht nur sportlich hat der Amerikaner seine Benchmarks in unserem Sport hinterlassen, denn mit seinen „Bent Chetlers“ von Atomic dürfen wir uns sogar sein Verständnis eines perfekten Skis an die Füße schnallen. Jetzt hat der Kalifornier mit „Fire on the Mountain“ sein erstes Movie-Projekt verwirklicht. Grund genug, Chris zu seinem Meisterwerk zu befragen.

Interview: Chris Benchetler
Hi Chris! Alles klar bei dir? Ende August, als wir uns das letzte Mal gesprochen haben, saß dir eine Ausstellung im Nacken, für die du noch eine Handvoll Bilder beisteuern wolltest. Wie lief’s letztlich bei der Vernissage?
Hi Roman! Hier läuft alles großartig, auch wenn dieses Jahr das stressigste meines Lebens war – in einer guten Art und Weise natürlich. Wir haben nämlich Familienzuwachs bekommen und sind bei den Benchetlers jetzt zu viert. Papa zu werden und dann natürlich auch zu sein ist eine wirklich wilde und gleichzeitig fantastische Reise.
Neben diesem einschneidenden Erlebnis habe ich auch noch meinen ersten Ski-Movie „Fire on the Mountain“ fertiggestellt. Eigentlich ist es schon eher ein ganzes Projekt, denn ich habe um den Movie gleich eine ganze Tour gestrickt, bei der sich Kunst, Sport und Live-Musik miteinander verbinden. Aus diesem Grund habe ich mich mit meinem Kumpel Skye Walker von der Westküste und Todd DiCiurcio von der Ostküste zusammengetan, um dort die Touren zu organisieren.

Mit Skye habe ich schon oft zusammengearbeitet, da er ein recht ähnliches Verständnis von Kunst hat wie ich und in der Medienwelt genau weiß, wie der Hase läuft. Mit Todd ist es hingegen eine Premiere. Er ist eher ein abstrakter Künstler, der seinen Werken eine viel tiefere Bedeutung einpflanzt als ich den meinen. Schon jetzt habe ich durch die Zusammenarbeit mit dem New Yorker unglaublich viel gelernt, weil ich aus meiner gewohnten Komfortzone ausbrechen musste, um einen neuen, anderen Blick für die Bedeutung von Kunst zu erlangen.
Von „Fire on the Mountain“ hat man ja schon vereinzelt Bilder auf Insta oder Facebook sehen dürfen. Kannst du uns einen Einblick geben, was wir von dem Film und der Tour erwarten dürfen?
Oh Mann, das ist fast schon zu kompliziert, um es kurz und knapp auf einen Nenner herunterzubrechen. Ich werde es aber dennoch versuchen. Vor einiger Zeit trat Brian Francis von Warner Music an mich heran, den ich über TGR-Mastermind Todd Jones kennengelernt hatte. Er schlug einen lizensierten Grateful Dead Collab Ski vor, zu dem ich die Graphics beisteuern sollte. Natürlich habe ich sofort zugesagt, musste aber zuerst die Jungs im Atomic Headquarter in Altenmarkt von dieser Idee überzeugen, denn die Schnittmenge aus musikbegeisterten Fans der Band und Freeskiern ist nicht gerade riesig – zumindest nicht in Europa. Dennoch schenkten sie mir ihr Vertrauen und ich konnte mit dem Projekt loslegen und einen „Bent Chetler“ designen. Das führte mich übrigens direkt im Anschluss zu einer grafisch angepassten Handschuh-Kooperation mit Dakine.

Danach habe ich mit Todd Jones eine Kollaboration mit TGR umgesetzt, für die ich Shirts, Longsleeves und Caps designte. Und schließlich keimte in mir der Gedanke, den improvisatorischen Stil der Band in einem Night-Movie umzusetzen. Die Crew um Frontmann Jerry Garcia spielt auf ihren Live-Gigs niemals einen Song gleich. Ähnlich erleben wir Berge oder Wellen nie auf dieselbe Art und Weise. Du kannst womöglich einen 100-Meter-Sprint reproduzieren, aber Erfahrungen in der Natur haben immer etwas Einzigartiges. Und genau das wollte ich in einer Art Gesamtkunstwerk umsetzen – mit handverlesenen Freunden, Athleten, Filmschaffenden und Fotografen, die eine ähnliche Vision vertreten und mich somit inspirieren.
Nachdem die Idee spruchreif und langsam zur Community durchgesickert war, begann ich, mit Rhino Records und Universal an der Lizensierung der Musik für den Movie zu arbeiten, und sie nickten diese ganze Idee und das Konzept ab. Für den Movie konnte ich schließlich meinen Kumpel Tyler Hamlet gewinnen, der früher für PBP arbeitete. Nach meiner unvergesslichen Erfahrung mit „Afterglow“ habe ich Sweetgrass Productions engagiert, um meine Lichtvisionen in die Tat umzusetzen, bei der Skelette im Mondlicht tanzen sollten. Und schließlich holte ich mir mit Rob Machado, Kimmy Fasani, Danny Davis, Jeremy Jones und Michelle Parker noch die perfekten Athleten für den Dreh mit ins Boot.

Und um das i-Tüpfelchen zu setzen, holte ich noch David Lemieux als Music Supervisor dazu. Als Manager und Archivar der Band hätte ich keinen besseren Mann für diesen Job finden können. Produziert wurde der Film größtenteils bei uns zu Hause in Mammoth Mountain. Das Resort gehört zu meinen ältesten Sponsoren und hat den größten Teil der Finanzierung des Projekts beigetragen.
Ich könnte noch so viele Leute aufzählen, denen ich danken muss, damit meine Idee letztendlich umgesetzt werden konnte. Während wir hier miteinander sprechen, entwickelt sich alles weiter: die Produktion, die Beschaffung von Kohle und die Regie eines Films, die über meinen Fähigkeiten liegt. Ich lerne ständig viel Neues dazu und kann es kaum erwarten, das Ergebnis mit allen zu teilen.
Full Movie: „Fire on the Mountain“ (2020)
Video: Fire On The Mountain – Official Grateful Dead & Chris Benchetler Film
Wir auch! Bei uns Europa sind Grateful Dead nicht die ganz große Nummer – oder besser gesagt: nicht mehr. Wobei die Tunes bei mir regelmäßig laufen, wenn ich mal wieder meine Psychedellc-Rock-Tage habe oder relaxte Vibes bei Heftproduktionen benötige. Hatte die Band für dich eigentlich schon vor deinem Projekt eine große Bedeutung?
Definitiv! Grateful Dead haben so viele unglaubliche Songs geschaffen, die mich tief bewegen. Und die eben schon erwähnte Improvisation repräsentiert perfekt meine Art des Skifahrens. Über die Jahre wurde ich ein immer größerer Fan ihrer Musik. Wahrscheinlich auch wegen meines Buddys Konrad, der einer der größten Dead Heads ist, die ich kenne. Ich bin mit klassischem Rock aufgewachsen und hatte Grateful Dead immer in meinen Playlists, doch die Songs der letzten fünf, sechs Jahre haben meine Wertschätzung noch weiter verstärkt.

Ich weiß, was du meinst, Chris. Aber lass uns noch mal zurück zu deinem Video kommen. Mit Beamern und leuchtenden Anzügen hast du ähnliche Lichtkreationen gesetzt wie damals Sweetgrass Productions’ „Afterglow“. Damals warst du zusammen mit Pep, Hoji und Daron Teil der Crew in Alyeska. Konntest du bei deinen nächtlichen Drehs in Mammoth von deinen Erfahrungen in Alaska profitieren?
Zu 100 Prozent. Ich werde den Trip im Winter 2014 in des Resort nahe Anchorage niemals vergessen. Es war eine der unvergesslichsten, speziellsten und gleichzeitig kompliziertesten Produktionen, die ich je gemacht habe. Natürlich wollte ich diese Erlebnisse nutzen und in die Realisierung meines Storyboards einfließen lassen.
Irgendwie entwickelt sich doch alles in dieser Welt aus bereits bestehenden Konzepten oder Ideen weiter. Das Leben wird maßgeblich aus Beziehungen und Erfahrungen geprägt, weshalb ich einfach versuche, aus diesen Lektionen zu lernen, um mich als Person und Künstler weiterzuentwickeln und neue Ideen oder Konzepte einzubringen.

Erzähl mal bitte von dem Dreh in Mammoth. Bei dem ähnlichen Konzept hattest du doch sicherlich auch mit ähnlichen Problemen wie damals in Alaska zu kämpfen.
Ja, leider. Am offensichtlichsten sind dabei die Probleme, die Elektronik und die Anfälligkeit der Lichtinstallationen im winterlichen Set-up mit sich bringen. Als wäre das für sich allein nicht schon kompliziert genug, mussten wir uns noch mit zusätzlichen Widrigkeiten wie Schneestürmen, einer angespannten Lawinensituation und Nebel herumärgern. Und dann natürlich noch die Herausforderungen, die auf uns Rider warteten. Dass man in der Dunkelheit kaum etwas sieht und sich bei seinen Turns oder Airs fast ausschließlich auf sein Gefühl verlassen muss, kann sich jeder vorstellen, oder?

Das trifft übrigens auch aufs Surfen zu, denn nach dem Dreh in Mammoth verfrachteten wir die Lightshow nach Indonesien. Mit Rob Machado wollte ich nachts surfen und die Wellen als gigantische Projektionsfläche benutzen. Wellenreiten ist neben Skifahren meine zweite große Leidenschaft, die ich schon lange betreibe. Ich lerne immer noch dazu, weil ich definitiv noch nicht dort angelangt bin, wo ich mich sehen will. Der Sport ist meines Erachtens unglaublich komplex.

Und dann siehst du deinen Kumpel Rob neben dir im Wasser, der sich selber abmühen musste, um in der Dunkelheit eine Welle zu erwischen – und das, obwohl sein Riding Level um ein Vielfaches über meinem anzusiedeln ist. Ohne Reflexionen und optische Anhaltspunkte auf dem Wasser glich es einem Lotteriespiel, wo die Welle brechen würde und wir in die Welle droppen mussten.
Das ganze Projekt bringt aber auch aus Sicht der Regie unendliche Probleme mit sich, die mich gefühlt um Jahre haben altern lassen. Es müssen bei einem derart aufwendigen Dreh so viele Rädchen perfekt ineinandergreifen, um am Ende ein Ergebnis zu erzielen, das der Vision recht nahekommt. Sweetgrass hatte unglaublich mit dem Sturm zu kämpfen, der die Stromgeneratoren einfror oder immer wieder die Beleuchtung umschmiss. Mir raubten die Skelett-Anzüge den letzten Nerv.

Mit meinen elektronisch beschränkten Skills hatte ich die Suits der Marke Eigenbau zusammengeschustert. Dementsprechend hobbymäßig performten die Teile dann auch im Schnee, denn die Verkabelung quittierte aufgrund von Kälte und Nässe immer wieder ihren Dienst. Dann war da natürlich noch ein kleines logistisches Problem, wie wir 30 schwere Bags auf eine abgelegene Insel in Indonesien schaffen könnten. Fast hätte ich die Abstimmung aller Zeitpläne mit den prognostizierten Wetterfenstern vergessen.
Ach, es gibt ernsthaft eine Liste von 100 Herausforderungen, die in meinem Kopf herumschwirrten. Aber am Ende hat sich die harte Arbeit ausgezahlt und ich würde alles wieder riskieren.
Wir dürfen ja dein Werk hoffentlich bald bestaunen. Tourst du mit der Show eigentlich auch durch Europa?
Im Moment versuche ich erst einmal, den Film kostenlos zur Verfügung zu stellen. Wir touren im November durch die USA, was schon ein recht strammes Programm ist und einiges an Kosten verursacht. Für Europa fehlt mir da definitiv noch die finanzielle Unterstützung. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass wir zumindest ein größeres Event bei euch realisieren können, bei dem sich Sport, Musik und Kunst miteinander verbinden.

Apropos Kunst: Du bist ja schon seit Längerem künstlerisch kreativ und hast zusammen mit Atomic und mit Dakine an unterschiedlichen Produkten gearbeitet. Was bedeutet es dir generell, deinen Pro-Modellen ein eigenes Design zu verpassen?
Ich habe das große Glück, dass mich meine Sponsoren schon viele Jahre unterstützen und ich somit meine künstlerischen Visionen verwirklichen kann. Meine Partner geben mir unglaublich viel Freiraum, mich grafisch auszutoben und im Falle von Atomic auch maßgeblich an der Performance meiner Ski mitzuentwickeln.
Darüber hinaus überlassen sie es mir, wie ich mich und mein Riding über die Medien nach außen tragen will. Das gibt mir die unglaubliche Möglichkeit, täglich kreativ zu werden – an den Produkten, die ich für meinen Sport benötige, aber auch darüber hinaus. Ich lasse mich dann von dem inspirieren, was beim Skifahren, Surfen oder Klettern draußen in der Natur auf mich wirkt: Wellen, Felsen, Bäume, Berge.

Hast du dir eigentlich schon mal vorgestellt, wie es wäre, komplett von der Kunst zu leben, also ohne Bezug zur Skiindustrie?
Es hängt wirklich davon ab, wohin du mit dieser Frage genau willst. Wenn du also meinst, ich hätte dann neben dem Beruf als Künstler keine Zeit mehr zum Skifahren, Surfen oder Klettern, wäre meine Antwort definitiv Nein. Würde sich aber mein Schwerpunkt hingegen nur etwas verlagern und ich nicht mehr als professioneller Skifahrer, sondern hauptsächlich als Künstler meine Brötchen verdienen, könnte ich deine Frage mit Ja beantworten.
Solange ich mich noch von all den Sportarten inspirieren lassen kann, die ich liebe und die mir diese unvergesslichen Momente in der Natur bescheren, würde sich grundlegend nicht so viel ändern.

Du hattest eben bereits die Kooperation zwischen Atomic und Warner Music angesprochen, bei der du einen limitierten „Bent Chetler“ mit deinen Graphics versehen durftest. Wie bist du dieses Projekt grafisch konkret angegangen?
Ich muss zugeben, dass sich der Weg bis zum finalen Design recht langwierig gestaltete. Das lag hauptsächlich daran, dass Grateful Dead seit über 50 Jahren im Geschäft sind und in dieser Zeit mit unzähligen Künstlern für ihre Cover zusammengearbeitet haben. Da kommt so einiges zusammen. Ich hatte also einen gewaltigen Berg unterschiedlichster Inspiration vor mir, den ich im ersten Schritt erst einmal sortieren musste, um mich dann im nächsten auf einzelne Elemente zu beschränken. Schließlich arrangierte ich Skelette und andere Grafiken der Band mit Mutter Natur und einem Winterweisen. Mich hat bei diesem Prozess Skye Walker unterstützt, den ich wie bereits erwähnt für die Organisation der Tour an der Ostküste gewinnen konnte.

Da wir schon über deinen Ski sprechen: Hast du eigentlich Ideen im Kopf, ob du in Zukunft technisch an deinem Pro-Modell etwas ändern willst?
Auf jeden Fall. Ich arbeite eigentlich unentwegt an Modifikationen und komplett neuen Konzepten. Eigentlich habe ich da absolute Narrenfreiheit, was die Entwicklung angeht. Atomic zeigt mir nur, was aus rein technischer und materialtechnischer Sicht alles möglich ist. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, dass ich meine Ski nachhaltiger produzieren will.
Ökologie ist inzwischen ein großes Thema für mich geworden, glücklicherweise auch für viele andere Brands.
Ich bin aber der Überzeugung, dass noch viel mehr möglich wäre, wenn die komplette Branche an einem Strang ziehen und Technologien zum Schutz der Umwelt gemeinsam vorantreiben würde. Schließlich will die nächste Generation auch noch eine intakte Natur vorfinden.

Als zweifacher Daddy macht man sich da bestimmt mehr Gedanken, nehme ich an. Ich habe im Portfolio von Fotogaf Oskar Enander Bilder von deiner Familie bei einem Powder-Trip in Japan gesehen. Wie hast du den Spagat zwischen Riding und der Zeit mit der Familie geschafft?
Ich muss sagen, dass es gar nicht so kompliziert ist. Wahrscheinlich spielt uns aber auch in die Karten, dass meine Frau Kimmy eine Pro-Snowboarderin ist. So fällt es uns recht leicht, einen Fotografen zu unseren Trips mitzunehmen. Sie wollen doch mit ihren Bildern eine Geschichte erzählen, die sich vom gewohnten Alltag unterscheidet. Die Story ist in unserem Fall die, dass ein Pro-Skier und eine Pro-Snowboarderin zusammen herumreisen, um ihre Leidenschaft zu leben – und das eben mit ihrem gemeinsamen Kind.

Okay, das hört sich jetzt wirklich simpel an. Hast du noch nützliche Tipps für werdende Freeski-Moms und -Dads?
Ja, hab ich tatsächlich: Habt definitiv keine Erwartungen an eure Elternzeit, da jedes Kind sehr unterschiedlich ist. Ihr werdet auf eine Art und Weise getestet, die ihr nie für möglich gehalten habt. Versucht einfach, jeden Tag so zu nehmen, wie er kommt, und seid so präsent wie nur möglich. Es ist der härteste Job aller Zeiten, aber zweifellos auch der lohnendste!

„Fire on the Mountain“ – Hinter den Kulissen
Das Endprodukt sieht spektakulär aus und man kann sich bereits ausmalen, wie schwierig es ist solch eine Produktion umzusetzen. Die folgenden zwei Videos gewähren uns einen Einblick hinter die Kulissen der Dreharbeiten zu „Fire on the Mountain“: Im ersten Video aus der Sicht von Michelle Parker sowie den Dreh in Mammoth Mountain (Kalifornien, USA) und das zweite Video bringt uns das Surf-Shooting in Indonesien näher.
Video: Behind The Scenes of Ski Film „Fire On The Mountain“ in Mammoth Mountain
Video: Behind The Scenes of Ski Film „Fire On The Mountain“ in Indonesia