Diesmal hat es uns in den Osten Bayerns verschlagen, um genau zu sein zu Völkl nach Straubing. Im Gegensatz zur Konkurrenz hält der Sportriese immer noch an seinem Standort in Deutschland fest, wo auch alle neuen Modelle entwickelt werden. Verantwortlich dafür ist Produktmanager Patrick Wesch.

Patrick Wesch aka "The Boss"
Patrick Wesch aka “The Boss”

Hi Patrick, vielen Dank für die Einladung, einen Blick in euer Werk in Straubing werfen zu dürfen. Du bist bei Völkl so etwas wie der Mastermind für das komplette Freeride-, Touren- und Park-Segment. Wie können wir uns deinen Aufgabenbereich vorstellen?
Als Produktmanager bin ich letztlich dafür verantwortlich, dass sich alle Modelle aus meinem Zuständigkeitsbereich optisch ansprechend präsentieren und fahrtechnisch überzeugen. Doch um diese beiden Punkte in Einklang zu bringen, muss ich viele Bereiche koordinieren: die Visionen von Bergführern oder Teamfahrern, technische Lösungen von Ingenieuren, absatzorientierte Kundenwünsche und schließlich die optische Gestaltung von Grafikern und Illustratoren. Das alles letztlich in einem Model zu vereinen, ist extrem abwechslungsreich und beinhaltet das ganze Jahr über sowohl viel Büroarbeit als auch Skifahren, um die neuen Produkte abzustimmen.

Das heißt, du bist mehr oder weniger das ganze Jahr auf Skiern unterwegs, um deine Prototypen zu testen. Hört sich nach einem Traumjob an! Oder gehen dir deine Skiboots irgendwann auch mal auf den Sack, wenn alle anderen in Flip-Flops an Seen oder Flüssen in der Umgebung abhängen?
Definitiv nicht! Gerade in den wärmeren Monaten sieht mein Tagesablauf oftmals so aus, dass ich vormittags Skischuhe trage und nachmittags dann in Flip-Flops schlüpfe. Wenn ich als Alternative den ganzen Tag „Business-Schnürschuhe“ tragen müsste, dann hätte ich einen Grund, mich zu beklagen. Ich liebe Skifahren einfach, und über das Jahr hindurch nimmt dieser Sport immer wieder neue Züge an, die alle ihren besonderen Reiz für mich haben. Wenn ich in einem Skigebiet Ende Mai 1.000 Höhenmeter feinsten Frühjahrsschnee abgreifen kann und ich dieses Paradies mit nur zehn anderen Fahrern teilen muss, will ich in diesem Augenblick sicher an keinem anderen Ort der Welt sein.

Im Lager finden sich alle Komponenten der gesamten Produkt Pallette.
Im Lager finden sich alle Komponenten der gesamten Produkt Pallette.

Wir auch nicht, aber dennoch müssen wir bis Mitte Januar oft hauptsächlich hinter unseren Rechnern sitzen, um die Printausgaben zu produzieren oder unseren digitalen Auftritt anzugehen. Wie sieht dein Produktionszyklus aus, und worin liegen die besonderen Schwierigkeiten beim Skibau?
Jeder Zyklus beginnt mit einer Ideen- oder Brainstorming-Phase, in der die grundsätzliche Richtung eines neuen Projekts ausgearbeitet wird. Auf diese folgt dann eine konzeptionelle Phase, in der zum Beispiel Seitenzüge oder Aufbauten getestet werden. In der abschließenden Freigabe-Phase wird dann mit dem Testteam die finale Abstimmung herausgearbeitet, bis der Ski den definierten Ansprüchen genügt und somit produziert werden kann. In den ersten beiden Phasen sind wir noch sehr frei und können viel mit Materialien und Designs experimentieren. Ausgangspunkt für alle unsere Visionen sind immer bestehende Modelle, die sich bewährt haben und unserer Idee am Nächsten kommen. Das spart Zeit und vor allem Geld, da wir ja auf bestehende Pressformen zurückgreifen können. Richtig teuer wird es dann, wenn zur Freigabe-Phase die entsprechenden Pressformen aus Alublöcken gefräst werden müssen. Die Schwierigkeit in diesem finalen Stadium der Entwicklung liegt darin, dass sich alle Spezifikationen eines Skis gegenseitig beeinflussen und somit unglaublich viele Kombinationsmöglichkeiten existieren, die dem Ski immer einen etwas anderen Charakter verleihen. Wie genau die einzelnen Eigenschaften voneinander abhängen, ist auch für uns immer noch schwierig vorherzusehen. Und schließlich kann die Eigenheit eines Prototyps nach einer Testfahrt nicht einfach abgeändert werden – es muss ja gleich ein komplett neuer Ski gebaut werden.

In Reih und Glied - die Druckplatten für das Topsheet der einzelnen Modelle
In Reih und Glied – die Druckplatten für das Topsheet der einzelnen Modelle

Wie wichtig ist dabei neben den Bewertungen eures Testteams das Feedback eurer Pros, Stichwort Dadali?
Ein Ski muss immer zu seinem Fahrer passen. Was nützt es, wenn ein Parkski super auf der Piste fährt, aber nicht wirklich im Park funktioniert? Für spezielle Projekte arbeiten wir deshalb mit den besten Spezialisten zusammen, die wir kriegen können. Ahmet Dadali hatte beispielsweise einen recht großen Einfluss auf den Shape und den Flex des Revolt. Dieser Ski wurde von Ahmet und von unserem Völkl-Testteam abgestimmt. Auch Sam Smoothy, Ian Macintosh, Dash Longe und andere haben immer wieder ihre Ideen in Projekte eingebracht. Teamfahrer sind sehr oft auf der Suche nach neuen Ansätzen und visionären Lösungen in unserem Sport – und das treibt natürlich die Entwicklung neuer Produkte voran.

Eine eurer wichtigsten Serien sind die Modelle der BMT-Kollektion. Wie kam es denn zu diesem Flaggschiff?
Bis etwa Mitte/ Ende der 90er Jahre wurden Skier sehr konservativ gebaut, und es wurde an den Konstruktionen recht wenig verändert. Darauf folgte ein Jahrzehnt, in dem mit all den offensichtlichen Spezifikationen experimentiert wurde. In dieser kreativen Periode wurden die Modelle sehr kurz oder sehr breit, extrem tailliert, negativ tailliert, extrem gerockert – alles schien möglich zu sein. Damals haben wir Konstrukteure viel von diesen extremen Formen gelernt. Heute ist es deutlich schwieriger geworden, etwas wirklich Neues zu erfinden, was die Performance von Skiern wirklich verbessern würde. Die BMTs sollten zum Beispiel trotz ihres leichten Gewichts sehr stabil werden. Dazu haben wir einen neuen Materialmix mit einer völlig neuen Form kombiniert. Die dünnen und leichten Flanken der BMTs funktionieren nur durch die spezielle Carbon-Begurtung. Bei all unseren Entwicklungen  profitieren wir jedenfalls stark von den technischen Möglichkeiten, die eine große Marke wie Völkl bietet.

Die meisten der Völkl Modelle werden in Straubing hergestellt - in Handarbeit!
Die meisten der Völkl Modelle werden in Straubing hergestellt – in Handarbeit!

Ihr fertigt in Straubing über 95 Prozent eurer Skier. Worin liegt der Vorteil für euch als Marke und für dich als Entwickler, am Standort Deutschland festzuhalten? Die günstigen Produktionskosten im Vergleich zum „teuren“ China können es wahrscheinlich nicht sein…
Zum einen liegt Straubing in einer Region mit einer langer Handwerkstradition. In China könnte ich auf dieses umfangreiche Wissen und die Fertigkeiten, wie sie die Skibauer hier besitzen, nicht zurückgreifen. Im Bayerischen Wald wurde schon sehr früh die Technik des Holzbiegens vom Wagenbau auf Sportgeräte wie Schlitten oder Ski übertragen. Hier gab es immer Holz, Know-how und Schnee. Zum anderen ist es für die Skientwicklung von enormem Vorteil, wenn sich Produktion, Entwicklung und Produktmanagement alle unter einem Dach befinden und sich allein schon zeitlich keine Unterbrechungen aufgrund von unterschiedlichen Standpunkten ergeben. Bei uns in Straubing ist es möglich, binnen zweier Tage einen neuen, funktionierenden Prototypen aus der Presse zu ziehen, um ihn dann im Schnee zu testen. So etwas wäre mit einer Produktion in China definitiv unmöglich.

Apropos Testskier: Jeder von uns hat doch seine individuellen Bedürfnisse, was den eigenen Ski betrifft. Wie vermeidest du eigentlich, dass die Modelle deines Bereiches zu perfekten „Patrick-Wesch-Modellen“ werden, aber für 99,9 Prozent der Käufer nicht geeignet sind?
Für die Bewertung jedes Skis werden immer mehrere Testfahrer eingesetzt. Das sind zum Teil Athleten oder Fahrer mit einem extrem breiten skifahrerischem Hintergrund. Ein Allroundski wird zum Beispiel von Testern bewertet, die seit Jahren in Deutschland und der Schweiz auf der höchsten Ebene Skilehrer ausbilden. Zudem bekomme Ich quasi 12 Monate im Jahr Rückmeldungen von Skifahrern, Skiverkäufern oder anderen Enthusiasten. Ich hoffe aber trotzdem, dass all die Völkl-Freeski-Modelle zu einem gewissen Teil auch meine Signatur enthalten.

Bevor die Skier das Werk verlassen, muss jedes Modell durch das automatisierte Finishing
Bevor die Skier das Werk verlassen, muss jedes Modell durch das automatisierte Finishing

Wie viele Prototypen braucht es überhaupt, bis ein komplett neues Modell die Serienreife erreicht?
Die Zahl der Prototypen variiert stark von Projekt zu Projekt. Ein einfacher Ski benötigt unter Umständen nur drei bis vier Loops, bis er seine Serienreife erlangt hat – bei komplexen Modellen kann es aber auch einmal über zwölf Loops dauern. Wir haben pro Kalenderjahr etwa 700 bis 800 Ski, die den Skitestprozess durchlaufen. Das heißt, gute Ski zu bauen, ist in erster Linie keine Zauberei, sondern einfach nur ziemlich teuer. Darum bin ich froh, bei einer Firma zu arbeiten, die ausreichend Budget in die Entwicklung steckt.

Du arbeitest momentan schon an den 17/ 18er Modellen – wirst uns aber sicherlich nicht Details verraten wollen, oder? Aber du kannst uns doch sicher sagen, in welche Richtung sich der Sport generell in Zukunft entwickeln wird?
Ein übergeordnetes Thema ist für mich die Kombination unterschiedlichster Eigenschaften. Mein Traumski der Zukunft ist so leicht wie ein Tourenski und gleichzeitig so stabil wie ein Freerideski. Er dämpft so gut wie ein Titanalski und ist so lebendig wie ein Carbonski. Er unterstützt so gut wie ein Pisten-Allmountain-Modell und ist abseits so verlässlich wie ein Powderski. Dazu muss natürlich auch das ganze Setup stimmen. Die Zusammenarbeit mit der Bindungs- und der Schuhabteilung ist daher auch extrem wichtig.

Träum weiter… Wir sind jedenfalls schon gespannt, was wir auf der nächsten Ispo bei euch am Stand erblicken dürfen. Vielen Dank für das interessante Interview und die Führung durch eure Hallen!

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