Der Arlberg ist nicht nur eines der bekanntesten Skigebiete der Alpen, sondern auch ein Mekka für Freerider und Freestyler. Doch was macht dieses Gebiet so einzigartig, dass es Freeride-Talente wie Valentin Rainer und Jana Häusl hervorbringt?
Text Roman Lachner Fotos Patrick Baetz, Daniel Baer, Christoph Johann, Nordica/Jakub Sedivy
Arlberg: Hervorragende Infrastruktur und Powder-Paradies
Das Skigebiet Arlberg gehört nicht nur zu den größten und bekanntesten in den Alpen, sondern auch zu den am besten ausgebauten in puncto Infrastruktur. Mit 300 Pistenkilometern und über 200 modernen Liftanlagen steht es auf der Bucket List eines jeden Skifahrers und Snowboarders. Die Region umfasst die Orte St. Anton, St. Christoph, Stuben, Lech, Zürs und reicht seit der Fertigstellung des Auenfeldjets 2013 bis hinüber nach Warth-Schröcken.
Dank der zentralen Lage des Arlbergs ist das Skigebiet einfach zu erreichen. Besonders hervorzuheben ist die Anbindung an den internationalen Zugverkehr: ICE und Railjet fahren direkt bis nach St. Anton, von wo aus die Gäste mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Taxis schnell zu ihren Unterkünften gelangen. Für eine umweltfreundliche Anreise ist der Arlberg damit bestens geeignet.
Freeride-Checkpoints, Klassiker und Hidden Runs
Jetzt geht’s aber rein ins Gelände. Zuvor schauen wir aber an einem der speziell eingerichteten Freeride-Checkpoints im Skigebiet vorbei. Diese Checkpoints sind strategisch im Resort platziert, um Freeridern die Möglichkeit eines LVS Checks zu bieten sowie wichtige Informationen zu den aktuellen Bedingungen im Gelände und zur Lawinengefahr mitzugeben.
Für Freeride-Neulinge ist zudem am Rendl ein spezielles Übungsgelände eingerichtet. Für ambitionierte Freerider bietet der Arlberg darüber hinaus die Möglichkeit, mit Guides das Gelände zu erkunden und so das volle Potenzial des Gebiets auszuschöpfen.
Mit oder ohne Guide – das Schindlerkar ist eine der bekanntesten Freeride-Routen am Arlberg. Von der Bergstation Galzig sieht man direkt ins Kar, das durch seine fotogene Südflanke jedes Freerider-Herz höher schlagen lässt. Bei starken Nord- bzw. Westwinden kann die Einfahrt ins Kar aber ganz schön eingeblasen sein.
Das Große Stierloch ist ein weiterer absoluter Klassiker, führt von Zürs nach Lech und ist landschaftlich ein absolutes Highlight und auch skifahrerisch ein Leckerbissen, wenn die Bedingungen passen. Der erste Teil der Abfahrt führt über großzügige Hänge hinunter bis zum Stierlochjoch. Von dort geht es durch das landschaftlich imposante Stierloch hinaus bis nach Zug. Mit Fellen kann man vom Stierlochjoch gut 450 Höhenmeter in Richtung Mehlsack aufsteigen und wird mit einer der längsten nordseitigen Abfahrten im ganzen Arlberggebiet belohnt. Wie immer müssen auch für diese Variante die Bedingungen passen!
Der Arlberg ist bekanntermaßen ein absoluter Powder-Magnet, was Fluch und Segen zugleich ist. Schließlich schüttelt dieser Magnet nicht nur massenhaft Neuschnee aus den vorbeiziehenden Wolken, sondern lockt natürlich auch Freerider aus aller Welt an, die ihre Saison hier verbringen, um sich ein Stück des üppigen weißen Buffets zu sichern. Die offensichtlichen Runs in Pistennähe sind also schnell zerfahren.
Doch auch hier finden sich Touren, die selbst nach Tagen ohne Neuschnee erstaunlich unberührt bleiben. Ein solcher Hidden Run führt von der Rossfallscharte über Tirols einzigen Winterklettersteig. Der Einstieg befindet sich auf 2.650 Metern bei der Riffelbahn-II-Bergstation. Von dort geht es entlang des Riffelgrats zur Vorderen Rendlspitze auf 2.816 Meter und weiter zur Rossfallscharte auf 2.732 Meter.
Über den Klettersteig gelangt man schließlich zum Drop-in ins Malfontal: eine lange Abfahrt mit verspieltem Gelände und weiten, offenen Hängen zum Cruisen. Das Malfontal führt bis nach Pettneu, von wo ein Bus zurück nach St. Anton fährt.
Snowpark und Freeride-Talente aus dem Arlberg
Der Snowpark Stanton am Arlberg ist ein Highlight für Freestyle-Skifahrer und Snowboarder. Direkt an der Piste im Bereich des Maaßbahn-Sessellifts an der Rendl-Terrasse gelegen bietet der Park eine perfekte Kombination aus moderner Infrastruktur und spektakulärer Lage. Mit verschiedenen Lines, Kicker- und Rail-Elementen können sich sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene so richtig austoben und ihre Fähigkeiten auf die nächste Stufe heben.
Der Park ist hervorragend präpariert und bietet in der Hochsaison eine beeindruckende Vielfalt an Elementen. Die ausgezeichnete Anbindung durch den Maaßbahn-Sessellift sorgt dafür, dass Snowboarder und Freeskier schnell und unkompliziert zum Park gelangen. Eine moderne Infrastruktur mit schneller Bergbahn und exzellenter Beschneiung garantiert zudem, dass der Snowpark während der gesamten Saison top Bedingungen bietet.
Nun kommt Stefan Häusl zu Wort, der als Guide und Freeride-Trainer beim Ski-Club Arlberg tätig ist. Der ehemalige FWT-Rider kann mittlerweile stolz auf die beeindruckenden Erfolge seiner Schützlinge zurückblicken – allen voran Valentin Rainer, seine Tochter Jana und Tiemo Rolshoven. Tiemo wurde nicht nur Vizeweltmeister bei der Junioren-WM, sondern startet jetzt auch in der Freeride World Tour! Der gebürtige Feldkircher, der für Deutschland an den Start geht, ist seit fünf Jahren Teil von Stefans privatem Team.
Interview: Stefan Häusl, Ex-FWT Rider & Freeride-Trainer beim Ski-Club Arlberg
Wenn in anderen Teilen Österreichs bereits der Frühling Einzug hält, versinkt der Arlberg oft noch in tiefstem Powder. Was ist das Geheimnis hinter den außergewöhnlichen Schneemengen, die ihr hier bekommt?
Unsere Berge haben sich an einem ganz besonderen Ort gebildet, an dem der Schnee normalerweise gut haften bleibt. Oft startet man einen Skitag ohne große Erwartungen. Doch kaum erreicht man den Galzig, den Hausberg, kann sich der Tag in ein unglaubliches Powder-Erlebnis verwandeln. Es ist, als ob die Wolken hier hängen bleiben – ein wirklich faszinierendes Phänomen.
Für die analytische Erklärung: Der Weg in den Westen vom Arlbergpass ist frei, sodass Tiefdruckgebiete fast ungehindert vom Bodensee über das Klostertal an den Arlberg ziehen können. Dort bilden die Berge eine Art Sperre, die Wolken hängen sich hier fest und entleeren sich. Aufgrund der hohen Berge fällt der Niederschlag meist in Form von Schnee.
Manchmal reicht die Wolke bis zum „MooserWirt“, wo sich dann bis zu 30 Zentimeter Neuschnee ansammeln, während im Ort St. Anton nur 200 Meter weiter lediglich fünf Zentimeter liegen; so extrem kann dieser Effekt sein.
Kommt der Schnee aus dem Norden oder Nordwesten, funktioniert dieser Prozess ebenfalls gut. Wenn der Niederschlag jedoch aus südlichen oder östlichen Richtungen kommt, bleibt uns meist nur der Rest – die umliegenden Bergketten nehmen uns viel ab.
Neben massig Schnee bietet der Arlberg ein fantastisches Terrain, das sich perfekt für Training und Wettkämpfe eignet. Ist das auch der Grund dafür, dass die Region so erfolgreich in der Förderung junger Talente ist?
Wie schon erwähnt sorgt die Schneesicherheit für ideale Trainingsbedingungen, da wir meistens viel Schnee auf den Bergen haben. Dazu kommt, dass die Geländeformen in allen alpinen Zonen perfekt für Freeride geeignet sind. Glücklicherweise haben wir auch viele Latschen und Sträucher, die bei Schlechtwetter-Skifahren für guten Kontrast und Sicht sorgen.
Das Gelände ist alles andere als eintönig: Es gibt Wellen, Wechten, Felsen und steile Passagen. An schönen Tagen können wir bis auf 2.800 Meter hochfahren – und das ganz ohne Gletscher. Durch die schneereichen Winter ist unsere Schneedecke oft stabil, was uns hilft, schöne Linien zu trainieren.
Was die Förderung junger Talente betrifft: Am Arlberg hat der Schneesport einen besonders hohen Stellenwert. Man kennt sich am Berg und talentierte Fahrer werden wahrgenommen und bewundert. Das motiviert die Jugendlichen, weiter zu lernen und sich zu verbessern. Zudem haben wir mit dem Ski-Club Arlberg eine starke Institution, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Nachwuchs zu fördern.
Deine Tochter Jana tritt beeindruckend in deine Fußstapfen: Mit nur 15 Jahren wurde sie Juniorenweltmeisterin bei den Yeti Junior Freeride World Championships in Kappl. Wie stolz bist du als ehemaliger FWT-Rider auf ihre Leistung?
Natürlich sind wir unglaublich stolz auf sie. Sie trainiert viel, hat ein enormes Talent und vor allem riesigen Spaß am Skifahren. Wir begleiten sie auf ihrem Weg und ich kann sie gut in meine Trainingsteams integrieren. Sie fährt oft mit sehr starken Ridern und hat so ein ideales Umfeld, um sich weiterzuentwickeln.
Als Familie haben wir mittlerweile auch viel zu tun, um ihre Karriere zu organisieren und zu managen. Wir versuchen, ihr so viel wie möglich abzunehmen, damit sie sich auf den Sport und ihre Schule konzentrieren kann. Jana besucht das Ski-Gymnasium in Stams, wo sie großartige Möglichkeiten vorfindet. Als Familie genießen wir diese gemeinsame Reise sehr.
Wie gehst du mit der Herausforderung um, gleichzeitig Vater und Coach zu sein? Fällt es dir leicht, diese beiden Rollen voneinander zu trennen?
Es funktioniert bei uns sehr gut. Eigentlich müssen wir nichts trennen. Im Athletikbereich wird Jana in Stams betreut, im Freestyle-Bereich stimme ich mich mit den Coaches dort ab – das klappt hervorragend. Beim Freeriden ist sie in meinen Teams und wir haben eine gute Dynamik entwickelt, die ich selbstverständlich überwache, damit die Gruppendynamik nicht zu groß wird.
Wir haben so viel zusammen erarbeitet und gemeistert, dass wir uns voll und ganz vertrauen. Ich versuche, Jana einen gewissen Freiraum zu lassen, damit sie selbstständig in ihren Entscheidungen am Berg wird. Der beste Trainer ist der, der irgendwann überflüssig wird.
Als Freeride-Coach beim Ski-Club Arlberg profitierst du sicherlich von der Vielfalt des Geländes. Wie beeinflusst diese Vielseitigkeit dein Training und gibt es spezielle Spots, die du besonders für spezifische Übungen nutzt?
Ja, es gibt einige spezielle Spots, die sich hervorragend für bestimmte Fähigkeiten eignen – zum Beispiel für Backflips, Double Backflips oder 360s. Wenn jedoch frischer Powder fällt, dann gehen wir natürlich einfach shredden. Bei schönem Wetter üben wir oft Freeride-Linien. Die Natur und vor allem die Lawinensicherheit bestimmen dabei das Training.
Der „Arlberg-Effekt“ wird oft zitiert, wenn es um die herausragenden Schneeverhältnisse geht. Kannst du erklären, was dahintersteckt und inwiefern dieser Effekt auch für dein Training eine Rolle spielt?
Der „Arlberg-Effekt“ ist ein Phänomen, das durch das häufige Durchwühlen der Schneedecke entsteht. Schneebrettlawinen gleiten in der Regel wie eine Kuchenschicht auf der darunterliegenden. Durch die vielen Freerider hier wird diese obere Schicht aber oft stark durchmischt – ähnlich wie ein Krautsalat. [lacht]
Das sorgt dafür, dass man keine Angst vor den tieferen Schichten haben muss. Die oberste Schicht muss allerdings stets beobachtet werden. Und dieser Effekt tritt natürlich nur im Nahbereich auf – sobald wir mit den Fellen unterwegs sind und uns von den betroffenen Bereichen entfernen, wird dieser Effekt irrelevant und wir müssen unsere Entscheidungen anders treffen. Wenn die Sicherheitslage stimmt, können wir dann auch sehr steile Abfahrten fahren.
Hast du einen persönlichen Lieblings-Spot am Arlberg, an dem du privat am liebsten fährst? Vielleicht sogar einen, wo man auch nach Tagen noch First Tracks ziehen kann?
Oh, da gibt es so viele Lieblings-Spots, die ich hier aber nicht verraten kann. Wer wirklich noch unverspurte Hänge nach mehreren Tagen haben möchte, sollte sich unbedingt mit Fellen auf den Weg machen. Das ist kein Geheimtipp, sondern einfach gesunder Hausverstand. [lacht]
Und zum Schluss noch: Gibt es Alternativen zum „MooserWirt“, wo man nach einem langen Tag im Powder entspannt ein Bier genießen kann – ohne danach völlig pleite zu sein?
[lacht] Keine Ahnung, da musst du jemand anderen fragen. Ich persönlich trinke gerne einen Kaffee im „Café Anton“ – das passt für mich.