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Severin Guggemoos im Interview (3/3)

Letzten Winter hast du sie nach Pyeongchang begleitet. Welche Eindrücke konntest du dort sammeln?

Dass die Freestyle-Disziplinen am meisten polarisieren. Du musst dir einfach mal vorstellen, dass ein gesamter Berg komplett umgekrempelt wurde, um alle Freestyle-Sportarten nebeneinander austragen zu können. Jeden Tag ausverkaufte Veranstaltungen und eine unbeschreibliche Stimmung! Für die Zuschauer wie für mich war es ein absolut geiles Spektakel und definitiv ein Ereignis.

Ich werde die Tage in Südkorea sicherlich nie vergessen.

Kea Kühnel beim Freeski World Cup 2018 am Stubaier Gletscher - Foto: Jörg Angeli
Kea Kühnel beim Freeski World Cup 2018 am Stubaier Gletscher – Foto: Jörg Angeli

Seit der Entscheidung des IOC, dass Slopestyle olympisch wird, wurden die gesteigerte Aufmerksamkeit und die damit verbundene höhere Reichweite in Mainstream- Medien als positive Argumente für die Entwicklung von Slopestyle angeführt. Trotzdem haben wir in Deutschland ein großes Problem mit der Freestyle- Infrastruktur. Parks werden geschlossen (Fellhorn, Grasgehren, Breitenberg) oder es fehlt an Unterstützung (Bispingen). Warum ist die Entwicklung des Sports bei uns eher rückläufig?

Das liegt daran, dass Skigebiete lieber die große Masse bedienen und „Fun Slopes“ bauen, damit die Touristen auf ihre Kosten kommen. Der hohe finanzielle Aufwand ist für die meisten eben unattraktiv, wenn die Sportart nicht verstanden oder nicht ernst genommen wird. Bestes Beispiel: Kea fährt in Modena einen super dritten Platz im Weltcup ein und du hörst nichts davon in den Medien. Wenn ein Dressurreiter, Langläufer oder whatever unter die Besten kommt, wird darüber in der „Tagesschau“ berichtet. Da stimmt doch etwas nicht, oder?

Spot: Absolut Park Flachauwinkl - Foto: Jürgen Nigg
Spot: Absolut Park Flachauwinkl – Foto: Jürgen Nigg

Trotz der Probleme in Deutschland sind wir im gesamten Alpenraum sehr gut mit Parks ausgestattet. Lohnt sich die weite Reise nach Nordamerika zum Skifahren trotzdem?

Die Wertschätzung dort ist ganz anders. Hier in Europa wirst du als Park-Fahrer belächelt, weil deine Hose und dein Shirt vielleicht ein bisschen länger sind als normal. In Amerika wissen die Leute dein Können zu schätzen, da sie die Sportart dank langjährigen Veranstaltungen wie den X Games und der Dew Tour besser verstehen. Wenn 90 Prozent der olympischen Medaillen einer Nation mit Freestyle-Sportarten errungen werden (USA), ist klar, dass die Porträts dieser Stars dann beispielsweise auf Cornflakes-Packungen gedruckt werden und die normale Bevölkerung den Freestyle-Sport wesentlich mehr respektiert, als es bei uns der Fall ist.

Spot: Stubai Zoo - Foto: Jörg Angeli
Spot: Stubai Zoo – Foto: Jörg Angeli

Was unterscheidet die Parks in Amerika von unseren in Europa?

Die mehrfach täglichen Reshapes, das ständige Umbauen der Parks, die Dimensionen und die Wertschätzung eines Parks in den Staaten sind im Ansatz nur mit Zermatt, Laax und dem Absolut Park in Europa zu vergleichen.

Lass uns noch mal zu deinem Riding kommen: Woher rührt deine Vorliebe für Rails und Jib-Features?

Tom Wallisch hat mit seinem Level 1 „SuperUnknown“ Edit (2007) damals etwas in mir geweckt. Ab diesem Moment wollte ich meine Skills auf Rails unbedingt verbessern. Ich wurde mit keinem anderen Fahrer häufiger verglichen als mit Tom, was mir eine große Ehre ist.

Video: Tom Wallisch SuperUnknown Edit (2007)

Bei Rails brauche ich im Gegenzug zu Kickern keine perfekten Bedingungen – etwas Wind oder Nebel macht mir da nichts aus. Wenn ich einen Trick in meinen Augen „perfekt“ kann, gibt es immer noch die Möglichkeit, diesen zum Beispiel mit einem simplen Stockeinsatz am Takeoff zu verbessern und doch wieder anders zu machen. Der Kreativität ist bim Jibben kaum ein Limit gesetzt. Außerdem ist eine Session am Rail auf die Dauer gesehen auch „entspannter“, als einen Kicker zu hiken.

Spot: Snowpark Patscherkofel - Trick: 2 on pretz 2 - Foto: Jörg Angeli
Spot: Snowpark Patscherkofel – Trick: 2 on pretz 2 – Foto: Jörg Angeli

Werden wir irgendwann mehr Backcountry-Content von dir sehen?

Schwierige Frage! Wenn ich im Gelände unterwegs bin, ist meistens einfach keine Zeit da, um Shots zu produzieren. Sicherheit und die Koordination mit den Leuten, mit denen man unterwegs ist, haben da einfach Priorität. Das notwendige Risiko einzugehen, nur um etwas Footage zu sammeln, ist es in der Regel einfach nicht wert. Da meine Zeit im Park aber aufgrund meiner beiden in Mitleidenschaft gezogenen Knie früher oder später vorbei sein wird, freue ich mich auf jeden Fall darauf, noch mehr im Backcountry unterwegs zu sein.

Spot: Stubai Zoo - Trick: Cork 3 Monkey Style - Foto: Jörg Angeli
Spot: Stubai Zoo – Trick: Cork 3 Monkey Style – Foto: Jörg Angeli

Musik spielt in deinem Leben eine große Rolle. Wie beeinflusst dich Musik beim Fahren und welche Interpreten befinden sich besonders häufig in deinen Playlists?

Musik beeinflusst nicht nur mein Skifahren, sondern mein ganzes Leben.

Beim Skifahren ist es ein unbeschreibliches Gefühl, dich von der Musik noch einmal auf eine ganze andere Ebene mit Adrenalin zu pushen.

Du nimmst alles viel intensiver wahr – ich verbinde mit verschiedenen Tracks verschiedene Stimmungslagen, Gefühle sowie Orte und so fühle ich mich zum Beispiel bei „Sound the Horns“ von Wu-Tang sofort nach Mt. Hood auf den Vulkan zurückversetzt. Da wir schon bei Wu-Tang sind: Für mich gibt es einfach keine andere Band, die mehr für die Struktur und den Zusammenhalt von Hip-Hop gemacht hat, als der Clan aus New York.

Vielen Dank für das Interview Gucci! Keep it real!

Spot: Innsbruck - Foto: Jörg Angeli
Spot: Innsbruck – Foto: Jörg Angeli

Dieses Interview stammt aus der PRIME Skiing #21 Printausgabe (2019).

Interview: Severin 'Gucci' Guggemoos - keepin it real
Interview: Severin ‘Gucci’ Guggemoos – keepin it real
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