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Severin Guggemoos im Interview (2/3)

Location: Innsbruck - Foto: Jörg Angeli
Location: Innsbruck – Foto: Jörg Angeli

Große Contests wie die European Freeski Open, Austrian Freeski Open und ähnliche offene Contests, bei denen Fahrer wie du ebenfalls häufig mit am Start waren, finden nicht mehr statt. Braucht die Szene wieder mehr Contests für Core-Rider? Oder hat es sogar positive Auswirkungen, dass diese Wettbewerbe nicht mehr veranstaltet werden?

Auf jeden Fall wünsche ich mir diese Contests zurück!

Wenn ich mich erinnere, wie lustig City-Contests wie zum Beispiel der Rail Jam damals in Augsburg (2006/2007) waren, bin ich schon erstaunt, dass in dieser Richtung gar nichts mehr passiert.

Ich bin im Moment mit ein paar Freunden im Gespräch, einen City-Contest in Innsbruck mit Rails aufzubauen – „von der Szene für die Szene“ ist das Motto. Ich möchte in Zukunft gerne mehr Veranstaltungen für die machen, die den Spirit des Sports leben und nicht abhängig vom Preisgeld an einem Contest teilnehmen.

Der „Normalo“ hat den Freestyle-Sport leider einfach noch nicht ganz verstanden – deswegen finde ich es extrem wichtig, der breiten Gesellschaft diese Art von Contests zu liefern, bei denen der Spaß im Vordergrund steht.

Location: Snowpark Patscherkofel - Trick: Switch Lip 2 continuing 4 - Foto: Jörg Angeli
Location: Snowpark Patscherkofel – Trick: Switch Lip 2 continuing 4 – Foto: Jörg Angeli

Wie sieht für dich dann das perfekte Contest-Format aus?

Ganz klar Jam Session mit Riders Judging. In meinen Augen gibt es kein ehrlicheres und besseres Format. Vor 15 Jahren haben wir unter uns Ridern selbst ausgemacht, wie das Preisgeld aufgeteilt wird, ähnlich wie beim Pokern. „The winner takes it all“ gab es selten!

Location: Snowpark Patscherkofel - Foto: Jörg Angeli
Location: Snowpark Patscherkofel – Foto: Jörg Angeli

Footage-Rider, die sich hauptsächlich auf Shootings oder gar ganze Movies konzentrieren, sind heutzutage ebenfalls weniger geworden. Viele Produktionsfirmen sind aktuell nicht mehr übrig in Zeiten, in denen Pros über ihre Social-Media-Kanäle unglaubliche Reichweiten generieren. Ist das Format Full Movie tot?

Nicht tot, aber die Wertschätzung ist wohl nicht mehr so vorhanden wie früher, da einfach viel zu viel Content im Netz herumschwirrt. In der Ära vor Facebook und Instagram mussten wir immer ein komplettes Jahr darauf warten, bis die neuen Filme im Herbst dann auf den Premieren zu sehen waren. Da war man richtig heiß drauf. Jetzt müssen sich die Produktionsfirmen deutlich mehr promoten, um die Aufmerksamkeit für ihr Jahresprojekt zu bekommen.

Location: Snowpark LAAX - Foto: Jörg Angeli
Location: Snowpark LAAX – Foto: Jörg Angeli

Am liebsten würden doch alle Rider den gerade eben erst gefilmten Shot sofort ins Netz stellen. Diese Möglichkeit gab es früher einfach nicht. Ich persönlich glaube dennoch, dass Full Movies einen deutlich höheren Stellenwert besitzen als kurzlebige Internet-Videos.

Location: Innsbruck - Foto: Jörg Angeli
Location: Innsbruck – Foto: Jörg Angeli

Spielt es für dich also keine Rolle, wie du Content produzierst?

Ich habe zwar auch angefangen, mehrere einzelne Shots komplett Raw zu posten, sodass der einzelne Shot mehr Aufmerksamkeit bekommt und nicht im Edit untergeht, aber sonst nicht wirklich. Zusammen mit Jürgen Nigg habe ich ein Videoprojekt am Laufen, in dem wir probieren, unsere Sicht des Skifahrens widerzuspiegeln: entspanntes Shots-Sammeln über die ganze Saison zusammen mit unseren Freunden. Und wenn an einem Tag nichts dabei ist, ist eben nichts dabei.

Location: Innsbruck - Foto: Jörg Angeli
Location: Innsbruck – Foto: Jörg Angeli

Nicht jeder Fahrer hat Lust, sich den Regeln der Social-Media-Plattformen zu unterwerfen. Fallen diese Querköpfe unter den Tisch?

Für die Core-Fahrer wohl nicht, aber für die breite Öffentlichkeit fallen sie definitiv unter den Tisch. Es zählt nur, wie viele Likes deine Insta-Seite hat und wie oft deine Fotos und Videos gerepostet wurden. Bestes Beispiel für unter den Tisch fallen ist der Schweizer Sven Rauber, der auf einem unglaublich hohen Niveau fährt – und das einfach aus Liebe zum Sport, ohne sich im Geringsten um seine Promotion zu scheren.

Für „Instagram- Skier“ zählt ein Tag nur als Erfolg, wenn ein Shot produziert wurde, der neue Follower und unglaublich viele Fake Likes einbringt.

Ich kenne mittlerweile leider schon viele Rider persönlich, die ernsthaft Geld in diesen Mechanismus stecken, was ich übrigens sehr schade finde.

Location Innsbruck - Foto: Jörg Angeli
Location Innsbruck – Foto: Jörg Angeli

In Deutschland gibt es aktuell bei den Männern weder Film- noch Contest- Fahrer, die international im Freestyle erfolgreich wären. Haben wir ein Nachwuchsproblem?

Deutschland hat generell ein Freestyle- Problem. Das fängt schon bei den Skigebieten an, die nicht bereit sind, den Unterhalt eines Parks zu finanzieren. Von der mangelnden Unterstützung im Verband möchte ich erst gar nicht sprechen. Wenn ich meine österreichischen Freunde betrachte, die zum Beispiel mit Dani Bacher einen absoluten Nachwuchsstar in ihren Reihen haben, kann man in Deutschland nur die Augen verdrehen, wenn’s um Zukunftsaussichten geht.

Location: Klausberg - Foto: Jörg Angeli
Location: Klausberg – Foto: Jörg Angeli

Deine Freundin Kea Kühnel gehört zu den erfolgreichsten Fahrern des deutschen Freeski-Nationalteams. Wie unterstützt du sie auf ihrem Weg?

Wir gehen auf jeden Fall nicht „trainieren“, falls du das meinst! In unserer Freizeit gehen wir eigentlich immer gemeinsam auf den Berg und genießen die Laps im Park. So lernt man Tricks und nicht anders. Ich habe größten Respekt vor ihrer Leistung. In weniger als drei Jahren hat sie es beinahe aus dem Nichts bis zu den Olympischen Spielen geschafft und inzwischen zwei Weltcup-Podiumsplätze eingefahren. Der Slopestyle hat sich im Gegensatz zur Halfpipe im Frauenbereich unglaublich weiterentwickelt und es macht mittlerweile wirklich Spaß, sich einen Ladys-Slopestyle- Contest anzuschauen. Weiter so, Kea, ich bin stolz auf dich!

Kea & Gucci - Foto: Jörg Angeli
Kea & Gucci – Foto: Jörg Angeli
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