Interview: Eric Hjorleifson – Seite 2
Lass uns über 4Frnt sprechen. Da hat sich einiges getan in den letzten Monaten. Jason Levinthal hat sich die Marke unter den Nagel gerissen und Gründer Matt Sterbenz hat sich aus dem Geschäft zurückgezogen.
Es hat, wie du schon bemerkt hast, einige fundamentale Änderungen bei 4Frnt gegeben. Matts Entscheidung, neue Wege zu gehen, kann ich jedenfalls gut nachvollziehen. Für ihn war nach der geglückten Übergabe an Jason einfach der Zeitpunkt für eine Veränderung gekommen.
Ich kenne niemanden, der so hart gearbeitet hat, um eine Firma aufzubauen und alles am Laufen zu halten, wie meinen langjährigen Weggefährten – und das 15 Jahre lang. Letztlich verlor Matt aus Gründen außerhalb seines Einflussbereichs die mehrheitlichen Anteile seiner Firma und 4Frnt landete letztlich bei Jason. Er hat sich der gewaltigen Aufgabe gestellt, 4Frnt zu einem Unternehmen mit Direktvertrieb umzubauen und somit wieder in die Erfolgsspur zu bringen. Wir wissen doch alle, wie schwer es die Skiindustrie in diesen Tagen hat.
Die Ursachen dafür liegen allerdings nicht allein in den ersten Auswirkungen der Klimaerwärmung, sondern sind zum größten Teil sogar hausgemachte Stolpersteine, die sich der Markt zwischen die eigenen Beine schmeißt. Wir können uns natürlich drüber beschweren und herumheulen, wir können aber auch den Arsch zusammenkneifen und das Beste aus den momentanen Begebenheiten herausholen. Und genau das hat sich Jason zur Aufgabe gemacht.
Was bedeuten diese Änderungen für die Zukunft von 4Frnt?
Allen voran hat sich innerhalb der Unternehmensstruktur von 4Frnt einiges getan. Die wichtigste Veränderung habe ich gerade schon erwähnt, nämlich den Wechsel zum Direktvertrieb mit einem Onlineshop.
Die Jungs von Canyon haben es uns mit ihren Bikes vorgemacht. Wenn man die Zwischenhändler eliminiert, kommt diese Ausdünnung letztlich dem Kunden in Form eines bezahlbaren Top-Produkts zugute. Allein dieser Schritt hat schon den Verkauf unserer Modelle angekurbelt und 4Frnt fürs Erste vor der Insolvenz bewahrt.
Die zweite große Veränderung betrifft den Produktionsstandort, der von Salt Lake City an die Ostküste Kanadas verlegt wurde. In Utah hatten wir schon länger Probleme, die gestiegene Nachfrage nach unseren Handmade-Latten zu bedienen. Der „White Room“, wie wir unsere kleine Fabrik liebevoll getauft hatten, war ursprünglich auch nicht als vollwertige Produktionsstätte geplant, sondern lediglich zur Herstellung von Prototypen.
4Frnt fertigt jetzt in Quebec, wo Jason seit inzwischen fünf Jahren alle seine „J Skis“-Modelle durch die Presse jagt. Die Umstellung war jedenfalls nicht ganz einfach, so viel kann ich sagen. Aber jetzt, da wir alles festgezurrt haben, bin ich zuversichtlich, dass wir in Kanada die gleiche Qualität unserer Skier erreichen können wie vorher in Salt Lake City.
Was erhofft sich 4Frnt durch diesen Shift für den europäischen Markt? In den letzten Jahren hattet ihr gerade hier im deutschsprachigen Raum nicht den perfekten Partner an eurer Seite, oder?
Europa war traditionell ein sehr harter Markt für 4Frnt, da ein Core-Label mit Sitz in Nordamerika nur schwer einen Fuß in den alpenländischen Handel bekommt. Derzeit arbeiten wir nur noch mit VPG zusammen, einem kleinen Händler in Norwegen, der ein großer Fan unserer Marke ist. Vielleicht helfen die niedrigeren Preise, damit uns die Leute in den Alpen eine Chance geben. Wir werden sehen.
Im Vergleich zu Nordamerika werden beim Direktvertrieb nach Europa die Versandkosten prozentual um ein Vielfaches höher sein. Ich weiß nicht genau, wie viel da auf die potenziellen Käufer zukommt, aber von dem neuen Vertriebsmodell und den damit verbundenen günstigeren Preisen werdet ihr nicht in dem Maße profitieren können wie wir hier.
Dennoch hoffe ich auf eine gute Saison bei euch in den Alpen, um zukünftig 4Frnt finanziell wieder auf solide Füße stellen zu können.
Du hast in der Vergangenheit maßgeblich die Feder bei der Konstruktion der Freeride-Range geschwungen. Sind diese Modelle weiterhin deine Baustelle oder hat sich auch hier Jason eingeklinkt?
Nein, da bleibt alles beim Alten. Gerade letzten Monat habe ich die „Ravens“ und „Renegades“ überarbeitet. Die Umsiedlung nach Kanada hat mich quasi fast dazu gezwungen, an diesen beiden Modellen Modifikationen vorzunehmen.
Wir haben die Formen ein klein wenig verändert und zu den bestehenden Längen weitere hinzugefügt. Ich freue mich schon, wenn die ersten Prototypen bei mir in Whistler ankommen, ich dann im ersten Schnee wieder meine gewohnten Testrunden abspulen und das Design abschließend finalisieren kann!
Lass uns zu deinem anderen Baby wechseln, dem „Hoji Boot“. Du arbeitest schon lange für Dynafit und warst, soweit ich weiß, auch bei der „Beast“-Bindung involviert.
Nicht ganz! Ich war bei der Entwicklungsphase der „Beast“ lediglich als Testfahrer und Berater an Bord. Ganz untalentiert scheine ich handwerklich nicht zu sein, aber eine Bindung zu entwerfen übersteigt definitiv meine Ingenieurskunst. Leider läuft das Teil jetzt aus und wird nicht weiter produziert. Mit der 14er habe ich in den letzten drei Jahre fast alle MSP-Shootings mitgenommen.
Leider hatte die originale 16er-Bindung ein paar kleine Macken mit dem Fersenstück, sodass die Szene die verbesserte „Beast 14“ nicht mehr objektiv beurteilte, die mit ihrem einfacheren Rotationsmechanismus einwandfrei funktionierte.
Ein weiterer Faktor für den Produktionsstopp ist sicherlich die Tatsache, dass man den Boot mit einer kleinen Platte nachrüsten musste. Na ja… ich komme unglaublich gut mit dem Teil zurecht, aber ich kann verstehen, warum Dynafit die Bindung eingestampft hat.
Du hattest mit dem „Hoji Boot“ ohnehin kaum Zeit für andere Projekte, oder? Wie bist du überhaupt auf die Idee für das komplett neue Schuhdesign gekommen?
Kaum zu glauben, aber inzwischen sind beinahe fünf Jahre vergangen, seit ich mit diesem Projekt begonnen habe. Im Gegensatz zu meinem eher begrenzten Beitrag zur „Beast“-Bindung ist der Hoji-Lock-Mechanismus komplett mein Baby.
Ich habe das gesamte Konzept, das diesen Skischuh charakterisiert, komplett allein entwickelt und jahrelang unermüdlich daran gearbeitet, bis es schließlich in Serie produziert werden konnte.
An dieser Stelle möchte ich meinem Mentor Fritz Barthel danken, ohne dessen Unterstützung und Hilfe ich dieses Projekt sicherlich nicht erfolgreich hätte stemmen können. Mich hat über all die Jahre die teilweise ernüchternde Downhill-Performance von Tourenski-Stiefeln genervt. Es musste der Mechanismus, der die unterschiedlichen Teile des Schafts im Skimodus zu einer festen Einheit verbindet, von Grund auf neu konzipiert werden.
Fritz und ich hatten das gemeinsame Ziel, einen Touring-Boot zu konstruieren, der sowohl für den Aufstieg als auch für die Abfahrt eine erstklassige Leistung abrufen könnte. Bislang hatten alle Modelle in einem der beiden Anforderungsprofile ihre Schwächen.
Das resultierte aus der Tatsache, dass entweder alpine Boots mit Gehfunktion oder klassische Tourenskischuhe mit härterem Flex entwickelt wurden. Mit dem neuen Hoji-Lock-Mechanismus haben wir aus dem Oder ein Und gemacht: Das Verschlusssystem, das mit nur einem Handgriff an der Ferse des Schuhs bedient wird, setzt das innen liegende System in Gang. Dabei schieben sich zwei Keile links und rechts der Ferse wie Nut und Feder zusammen und bilden eine Einheit zwischen Schaft und Schale.
Das Hoji-Lock-System bewirkt, dass der Schuh im Aufstieg flexibel ist wie ein klassischer Tourenskischuh, in der Abfahrt aber so steif wie ein reinrassiger Alpinskischuh. Das Spiel zwischen Schaft und Schale in der Abfahrtsposition, das bei Skitourenschuhen häufig auftritt, gehört somit der Vergangenheit an.
Denkst du, dass generell im Boot-Bindungs-Sektor noch viel grundlegendere Veränderungen möglich sind? Ist es nicht an der Zeit, die Verbindung von Mensch und Ski zu überdenken?
Ja, natürlich gibt es eine Menge Potenzial, um die Schnittstelle von Boot und Ski zu verbessern – auch weil sich über die vielen technischen Innovationen im Skibau letztlich der Sport und somit auch die Leistungsanforderungen an Bindungen extrem verändert haben. Aber wie wir wissen, ist alles nicht so einfach, wie man denkt.
Das liegt zum einen an der Kompatibilität von aktuellen Boots und zum anderen an der Tatsache, dass man einen extrem langen Atem haben muss, bis Neuerungen von der Industrie akzeptiert werden.
Bestes Beispiel könnte das puristische Design von Low-Tech-Bindungen sein. Fritz hat vor 30 Jahren das erste Modell einer extrem leichten Tourenbindung entwickelt und vorgestellt. Doch es hat über zwei Jahrzehnte benötigt, bis auch die großen Alpin-Brands den Nutzen dieses inzwischen nicht mehr ganz neuen Systems erkannt haben.
Fritz Barthel hat nicht nur an Bindungen getüftelt, sondern auch an Skischuhen. Würde man seine Prototypen von damals neben aktuelle Touren-Boots stellen, könnte man meinen, Letztere wäre Repliken der 30 Jahre alten Originale.
Diese Tatsache zeigt, wie entmutigend die Entwicklung von etwas komplett Neuem in unserer Branche sein kann. Es braucht nämlich mehr als nur eine innovative Idee und deren fehlerlose Umsetzung, sondern unglaublich viel Zeit und harte Arbeit, um die Industrie von diesem Produkt zu überzeugen.
Um es kurz zu machen:
Es gibt sicherlich Raum für Verbesserungen, es kommt nur darauf an, wer ausreichend Nerven und Zeit hat, um für seine Idee zu kämpfen.