Kaum einer von uns macht sich Gedanken darüber, welchen enormen Einfluss Skilifte auf die Entwicklung unseres Sports hatten. Letztlich erfüllen sie zwar nur den Zweck, uns schnell und kraftsparend nach oben zu transportieren, aber genau dadurch haben sie Skifahren als Breitensport erst ermöglicht. Mattias Fredriksson hat über den reinen Nutzen von Skiliften hinausgeblickt.
Erste Erinnerungen: Skilifte in Växjö
Meine erste Erinnerung an einen Skilift stammt vom Tomtabacken im schwedischen Växjö, wo ich Ende der 70er-Jahre aufgewachsen bin. Zu dieser Zeit erlebte der Skisport einen echten Boom und nicht nur ich ahmte unseren alpinen Nationalhelden Ingemar Stenmark vor dem Fernseher nach – mit meinen Holzskiern auf dem Parkettboden.
Der Tomtabacken-Skihügel hatte einen mickrigen Höhenunterschied von gerade einmal hundert Metern und einen schmerzhaft langsamen Seillift. Man musste sich gut festhalten, während es einen unbarmherzig aufwärts zog, aber ich fand schnell heraus, dass es besser war, als den Hügel wieder hinauflaufen zu müssen.
Meine Freunde und ich verbrachten ganze Wochenenden auf dieser mickrigen Piste und dennoch wuchs meine Leidenschaft für das Skifahren immer stärker – etwa in gleichem Maße, wie das ausgefranste Seil meine Skifäustlinge nach und nach komplett auffraß.
Zwei Jahre später an einem kalten Februartag nahmen mich meine Eltern mit nach Kala Höjden, dem steilsten Berg meiner Heimatstadt. Der fortschrittliche Lift hatte tatsächlich einen Bügel, den man sich hinter den Arsch klemmen konnte, um sich das mühsame Festhalten zu ersparen – beziehungsweise „könnte“. Denn das Problem war, dass das Seil auf einer Höhe von über einem Meter Höhe über dem Boden hing – unerreichbar für einen kleinen sechsjährigen Jungen. Stattdessen bot mir mein Vater an, mich den Hügel hinaufzutragen. Mit den Skiern saß ich auf seinen Schultern und wir schafften es meistens, den größten Teil des Wegs zu bewältigen.
Dank dieses modifizierten Skilifts konnte ich meine ersten Abfahrten auf den berüchtigten Steilhängen von Växjö abreißen.
Obwohl die Menschheit schon seit Tausenden von Jahren Ski fährt, entwickelte sich erst mit der technischen Errungenschaft der Lifte der Skisport und somit der Skitourismus.
Die Anfänge des Skiliftbaus
Der erste Skilift der Welt wurde 1908 von Robert Winterhalder im deutschen Schwarzwald gebaut. Er nutzte die Kraft seiner Mühle, um ein Zahnrad anzutreiben, das ein Umlaufseil antrieb. An diesem waren lange Griffe angebracht, an denen sich die Gäste festhalten konnten, um sich stolze 100 Meter hoch auf den sanften Hügel neben seinem Haus befördern zu lassen.
Winterhalder ließ diesen ersten Schlepplift 1910 patentieren und entwickelte einige Jahre später sogar eine zweite Konstruktion. Er versuchte, einige Hotelbetreiber im Schwarzwald davon zu überzeugen, dass Skilifte Geld einbringen könnten. Diese erkannten leider das Potenzial dieser Spinnerei nicht. 1917 war Winterhalder gezwungen, seinen Skilift einzuschmelzen, um Metall für die Erzeugung von Militärgerät zu liefern, das für den Ersten Weltkrieg benötigt wurde.
Es folgte die rasche Entwicklung einer Reihe von Schleppliften und anderer Seilbahnen, aber es dauerte Jahrzehnte, bis der nächste bedeutende Fortschritt bei den Skiliften den Skisport selbst grundlegend verändern sollte.
Sun Valley: Der erste Sessellift der Welt
Diesmal erkannte Amerikas größte Eisenbahngesellschaft, die Union Pacific, das wirtschaftliche Potenzial von Skigebieten und baute 1936 in Sun Valley, Idaho, den ersten Sessellift der Welt. Der Entwurf für diesen Einzelsessel basierte auf einem System, das ursprünglich zum Verladen von Bananenstauden auf Boote verwendet wurde. Union Pacific ersetzte die Bananenhaken durch kleine Plattformen, auf denen Skifahrer hängend sitzen konnten, während sie den Berg hinaufgetragen wurden.
Union Pacific eröffnete auch das Sun Valley Resort; Amerikas werstes Skigebiet war von den Alpen inspiriert, wo bereits mehrere Skigebiete entstanden waren. Skifahren war sicher nicht das Kerngeschäft der Union Pacific, aber ihre Vorhersage, dass ein amerikanisches Skigebiet im Resort-Stil auch den Personenverkehr auf der Schiene ankurbeln würde, sollte sich bestätigen. Bis Sun Valley waren amerikanische Skigebiete Orte, an denen man einen Tag lang Ski fuhr und dann in die nahe gelegenen Gemeinden zurückkehrte.
Die meisten Skifahrer waren nämlich Locals und der Skitourismus steckte noch in den Kinderschuhen. Sun Valley startete also ein völlig neues Konzept, das durch eine nationale Marketingkampagne unterstützt wurde. Die Besucher konnten Skikurse buchen, sich im Schwimmbad entspannen, feines Essen genießen und in einer luxuriösen Skihütte übernachten.
Sessellifte als gesellschaftliche Treffpunkte
Damals avancierte der Lift von einem nützlichen und bequemen Transportmittel in den Bergen zu einem Erlebnis. Ja, er war ein Gerät, das eine einzigartige Perspektive auf die Natur von oben bot, aber der Lift wurde auch zu einem wichtigen gesellschaftlichen Treffpunkt für Skifahrer. Anfänglich lud Union Pacific Filmstars und Prominente ein in der Hoffnung, eine Art Hype zu erschaffen und das Interesse am Skifahren zu wecken. Das Konzept ging auf und schon bald strömten die Urlauber der gehobenen Klasse nach Ketchum, Idaho.
Der Sessellift war etwas gewöhnungsbedürftig, denn das erste Design hatte keine Rückenlehne am Sitz, wurde aber dennoch ein Erfolg. Die Skifahrer konnten zwischen den Abfahrten erstmals ihre Beine entspannen und es gab den zusätzlichen Vorteil, dass man sich unter der Lifttrasse optimal in Szene setzen konnte. Nach nur einem Winter wurden zwei weitere Sessellifte gebaut und Sun Valley wurde schnell zu Amerikas führendem Skigebiet.
Die Rolle der Skilifte im modernen Skitourismus
Die Effizienz, mit der Lifte zur Entwicklung der eigenen Skitechnik und der Bildung einer lokalen Szene beigetragen haben, ist nicht zu übertreffen. So lohnend Skitouren ins unverspurte Hinterland auch sein mögen, es ist nicht jedermanns Sache, sich seine Schwünge zu verdienen. Den Liften ist es zu verdanken, dass das Skifahren für die breite Masse zugänglich wurde und sich der Schneesport zu einer globalen Bewegung samt weltweiter Industrie entwickelt hat.
Ohne Lifte würden die Skigebiete zum Stillstand kommen und mit ihnen die Wirtschaft der Skiorte, die wir kennen und lieben gelernt haben, sowie der Lebensunterhalt von Millionen von Menschen weltweit, die von der Branche abhängen. Skifahrer in den Skigebieten zahlen immer mehr für Lifttickets. Doch ohne den einfachen Zugang zu den Bergen würde ein großer Teil des Tourismus – und der damit verbundenen Wirtschaft – einfach nicht existieren.
La Grave: Ein verschlafenes Dorf wird zur Freeride-Metropole
Dieser Zusammenhang hat sich im südlichen Teil der französischen Alpen deutlich gezeigt. La Grave am Fuße des legendären La Meije liegt etwa auf halbem Weg zwischen Grenoble und Briançon und besteht aus ein paar Hotels, einer Bäckerei, einem kleinen Lebensmittelgeschäft, ein paar Bars und einigen Skigeschäften. Wahrscheinlich hätten Skifahrer noch nie von La Grave gehört, gäbe es nicht die Téléphériques des Glaciers de La Meije, die das verschlafene Dorf in den 1990er-Jahren aus dem Nirgendwo an die Weltkarte des Skisports verfrachteten.
Bis in die späten 70er-Jahre hatten nur wenige Touristen einen Grund, überhaupt in La Grave haltzumachen, außer zum Tanken vielleicht oder für einen schnellen Kaffee auf dem Weg nach draußen. 1978 dann wurde eine Gondel hinauf zu einem Plateau unterhalb des La Meije gezogen. Es war eine spektakuläre 40-minütige Fahrt vom Dorf bis hinauf in das wilde Terrain auf 3.200 Metern Höhe.
Ziel der Bahn war es, die Berge zum Wandern, Klettern und Genießen der Aussicht zu erschließen und den Sommertourismus in der Region anzukurbeln. Zunächst dachte man nicht im Entferntesten daran, die Bahn auch im Winter zum Skifahren zu nutzen. Doch das änderte sich, als Pelle Lång, ein schwedischer Ski-Bum aus Chamonix, dem Dorf Mitte der 1980er-Jahre einen Besuch abstattete. Auf halbem Weg den Berg hinauf stellte Lång fest, dass er die längsten und steilsten Runs der Welt vor sich hatte, die mit einem Lift bedient wurden.
Kurz nach seinem ersten Trip packte er seine Sachen in Chamonix und zog kurzerhand nach La Grave um. 1989 eröffnete er mit einem Freund die „Skiers Lodge“ und das verschlafene La Grave sollte nie wieder dasselbe sein.
Anfangs riefen die Liftwärter in der „Skiers Lodge“ an und fragten, ob sie Gäste hätten, die mit dem Lift fahren wollten, oder ob sie ihn für ein frühes Mittagessen schließen könnten. Doch schon bald zogen die langen Couloirs und anspruchsvollen Steilhänge – mit einfachem Zugang über die Téléphériques – begeisterte Skifahrer von überallher an, darunter viele der besten Freerider der Welt, sowie Filmemacher, Fotografen und Journalisten.
La Grave und der Aufstieg zur Ski-Legende
Bald wurde La Grave international als das Shangri-La des Off-Piste-Skifahrens bekannt – ohne eine einzige präparierte Piste. Trotz ständiger Konkursgerüchte drehen sich die Räder des Lifts seit mehr als 45 Jahren. Er hat weit mehr als nur das Überleben des Dorfs an seiner Basis gesichert – dieser einzigartige Lift hat den beispiellosen Erfolg von La Grave begründet und ist zu einem Mekka für abenteuerlustige Skifahrer weltweit geworden.
Die Schattenseiten des Skiliftbetriebs
Doch wehe, die Skilifte laufen nicht so, wie sie sollen; dann kochen die Emotionen schnell mal hoch. Während diese tollen Konstruktionen in der Regel einen einfachen Zugang zu unseren Powder Runs ermöglichen, lösen sie dann Ungeduld, Spannung und Ärger aus. Manchmal hat es so hart gedumpt, dass es Stunden dauert, bis der Schnee geräumt ist und die Lifte öffnen können. Lange Schlangen an den Liften lassen dann die Gemüter auch an den frostigsten Powder-Tagen erhitzen.
Und viele Skifahrer haben schon eisige Tage erlebt, an denen ihr Sessellift für eine unbestimmte Zeit stillstand oder ihre Gondel von starkem Wind bedrohlich in Schwingung versetzt wurde, während sie ansonsten friedlich weit über dem Boden schwebte.
Unvergessliche Erlebnisse: Stille Stunden im Skilift
Ersteres geschah, als ich in Cortina d’Ampezzo in den italienischen Dolomiten war. Nach einer epischen Woche Powder-Spaß hatten meine Buddies und ich nur noch ein paar Stunden Zeit, bevor wir nach Hause fahren würden.
Die alte Seilbahn vom Dorf zum Monte Faloria war ganz in der Nähe und mit einem Höhenunterschied von etwa 1.000 Metern freuten wir uns auf eine letzte, lange Abfahrt. Die eine Hälfte unserer Gruppe war müde und hatte sich bereits zum Après-Ski verabschiedet, während sich der Rest zur Seilbahn begab. Nachdem wir die fünfte Liftstütze passiert hatten, schaukelte die Seilbahn wie üblich, allerdings wurde sie bald darauf immer langsamer, bis sie schließlich vollständig zum Stillstand kam.
Zunächst seufzten die Gäste in der halb vollen Kabine, doch bald schlug das anfängliche Unbehagen in echte Nervosität um. Ein Mitarbeiter der Bergbahn, der mit uns in der Gondel saß, schien tatsächlich etwas gestresst zu sein, denn er diskutierte über Funk lautstark mit seinem Kollegen im Tal. Uns wollte er beruhigen, dass das Problem schnell behoben wäre. 40 Minuten vergingen und das Paar mit den kurzen Carvern hinter uns geriet bereits in Panik.
Eine halbe Stunde später kletterte der Liftführer aus einem Fenster auf das Dach der Seilbahn und schraubte über uns gut hörbar herum. Schließlich kam er durch das Fenster zurück und schon bald setzte sich die Seilbahn langsam, aber rückwärts in Bewegung. Mithilfe des Reservemotors fuhren wir im Schneckentempo zurück ins Dorf. In der Seilbahn war es während der gesamten Fahrt nach unten totenstill.
Die soziale Magie der Skiliftfahrt
Zum Glück ist ein Skilift normalerweise ein Ort, an dem müde Beine eine kurze Pause einlegen können, an dem man mit Freunden plaudern und die letzte Abfahrt analysieren kann. Wir können uns mit Gleichgesinnten austauschen oder ein atemberaubendes Panorama betrachten, das sich um uns herum entfaltet. Egal ob man nur einen oder mehrere Sitze neben sich hat, eine Liftfahrt ist ein angenehmes und entspanntes Erlebnis. Dieser Ruhepunkt in ständiger Bewegung ruft Freude hervor, wenn man die anderen Skifahrer beobachtet, die unten jubeln und ihre Begeisterung zum Ausdruck bringen.
Vielleicht sind wir nirgendwo sonst so berechtigt, unaufgefordert ein Gespräch mit einem Fremden zu beginnen. Du bist die gleiche Piste gefahren, spürst die gleiche Begeisterung, und ohne den Namen des anderen zu kennen oder etwas über ihn zu wissen, fühlt sich dieser kurze Austausch ganz natürlich an. Die soziale Distanz in einem Skilift ist aufgehoben. Egal wie dick die Brieftasche, egal wie die politischen Überzeugungen oder die soziale Herkunft sind, in einem Sessellift sind wir alle gleich – Freunde auf dem Weg zu einem weiteren Run.
Die unersetzliche Rolle der Skilifte im Skisport
So sehr es beim Skifahren auch darum geht, sich seine Schwünge ohne mechanische Hilfsmittel zu verdienen, so unbestritten und tatsächlich überlegen ist die Freude an Skiliften. Keine Felle ziehen dich schnell genug den Berg hinauf, um zehn Runden mit deinem Freund zu drehen, den du schon ewig nicht mehr gesehen haben. Zum Glück ist der Lift nach jeder Abfahrt da, um sich ein wenig ausruhen, Geschichten austauschen und sich auf weitere großartige Fahrten und denkwürdige Abfahrten vorbereiten zu können.