Heliski ist der Traum eines jeden Freeriders. Alaska scheint hier das Maß aller Dinge zu sein, doch die stabileren Wetterverhältnisse im Kaukasus könnten in Zukunft eine lohnende Alternative werden. Tom Kobel und David Ortlieb konnten sich vom Potenzial in Arkhyz überzeugen.
Tom Kobel und David Ortlieb konnten sich vom Potenzial in Arkhyz überzeugen.

[vc_custom_heading text=”Böse Vorahnung”]

Vor fünf Jahren beging ich einen folgenschweren Fehler. Damals führte mich ein Trip direkt aus den Messehallen der Winter-ISPO nach Gulmarg in den Powder Kaschmirs. Neben meiner Foto- und Skiausrüstung hatte ich ganz frisch von der Sportmesse einen blinden Passagier mit im Gepäck, den ich dann unglücklicherweise auf dem langen Flug von London nach Delhi erstmals zu Gesicht bekam – beziehungsweise der aus meinem Gesicht direkt in die Bordtoilette befördert wurde. Ich hatte mir einen üblen Norovirus eingefangen. Was das für die restlichen Flugstunden bis zur indischen Hauptstadt, den Weiterflug nach Kaschmir, den zweistündigen Transfer bis nach Gulmarg und die folgenden drei Tage in den Bergen bedeutete, möchte ich an dieser Stelle nicht detailliert erläutern. Ich hatte mir aber geschworen, niemals wieder direkt von der ISPO zu einem Foto-Trip aufzubrechen.

[vc_custom_heading text=”Wieso einfach wenn´s auch umständlich geht”]

Genau an diesen Vorsatz und an die „undichten“ Tage in Indien musste ich letzten Februar zwangsläufig denken, denn ich hatte mein eigenes Versprechen gebrochen. Ich befand mich nämlich nach einer durch-lebten ISPO im Shuttle-Bus von der Messe zum Flughafen. Heliski Caucasus (www.heliskicaucasus.ru) hatte mich eingeladen, um mit den Schweizern Tom Kobel und David Ortlieb eine Reportage in Arkhyz zu produzieren. Anders als damals vor fünf Jahren blieben zwar alle meine Luken verschlossen, doch schon vor unserem Flug nach Russland verlief nicht alles ganz nach Plan. Aufgrund eines kleinen, aber folgenschweren Missverständnisses hatte sich unsere Reise in den Nordosten des -Kaukasus unnötig verkompliziert und dadurch verlängert. Anstatt nach Mineralnyje Wody zu fliegen, das circa drei Autostunden östlich von unserem Ziel entfernt liegt, hatten wir unseren Flug nach Sotschi am Schwarzen Meer gebucht. Der Flughafen Adler ist keine 100 Kilometer Luftlinie von Arkhyz entfernt, aber leider führt keine Straße quer durch den Kaukasus hindurch. Wir mussten uns also entscheiden, ob wir einen Nachtzug nach Mineralnyje Wody nehmen und dann weiter bis zum Ziel shuttlen oder gleich mit dem Auto im Uhrzeigersinn um den kompletten Kaukasus fahren wollten. Google Maps riet uns, die zweite V-riante zu nehmen, die mit acht Stun-den dennoch die kürzere gewesen wäre.

[vc_custom_heading text=”Als wir dann von unserem Fahrer aufgefordert wurden, während der
Betankung das Auto zu verlassen und hinter einer Betonmauer
Schutz zu suchen, wurde uns etwas mulmig.” font_container=”tag:div|font_size:30|text_align:center” google_fonts=”font_family:Satisfy%3Aregular|font_style:400%20regular%3A400%3Anormal”][vc_custom_heading text=”Beengtes Reisen”]

Vielleicht hätten wir uns doch besser für den Zug entscheiden sollen, dach-ten wir uns, als wir nach einer un-ge-mütlichen Nacht am Moskauer Flughafen schließlich mittags in Sotschi wie vereinbart von unserem Shuttle-Service abgeholt wurden. Wir hatten einen Bus erwartet und blickten etwas ratlos auf den in die Jahre gekommenen Lada – inklusive des passenden Fahrers, der auf uns am Terminal wartete. Wie wir unseren kompletten Stuff auf oder in dieser Rostlaube verstauen sollten, war uns ein absolutes Rätsel, zumal der Kofferraum mit einem imposanten Gastank Marke Eigenbau beinahe schon komplett ausgefüllt war. Wir mussten also die Skibags auf das Dach schnallen und unsere Taschen auf dem Schoß platzieren – und das für acht Stunden. Bei diesem Ge-danken sank das Spaßbarometer rapide, aber ändern konnten wir an dieser Situation nichts mehr. Und die Belohnung wartete ja schließlich in Form eines Helis. Also Arschbacken zusammenkneifen – am besten gleich richtig, denn viel Atemluft befand sich nicht mehr im Innenraum, als wir schließlich mit unserem Gepäck eingepfercht im Auto saßen.

[vc_custom_heading text=”Arkhyz”]

Nach dem Frühstück wollten wir uns ein Bild von der Lage verschaffen. Wo waren wir eigentlich? Bei unserer Ankunft mitten in der Nacht hatten wir ja kaum noch etwas mitbekommen. Wir befanden uns also in Arkhyz im Kaukasus. Ein Blick aus dem Fens-ter deutete aber keineswegs auf russische Architektur hin, sondern es ähnelte eher den Retortenstädten von französischen Ski-Resorts. Die Eigentümer des Skigebiets haben sich beim Bau der fünf Hotels am Vorbild der Bettenburgen in den Westalpen orientiert. Wir wurden mit dem gleichen abgewohnten Look konfrontiert wie beispielsweise in Tignes, obwohl die Bauten hier noch keine 30 Jahre lang von Touristen in die Mangel genommen worden sind. Das Wintersportzentrum wurde erst 2013 mit seinen zwei Liften und einer Handvoll Unterkünften komplett neu erschaffen. Die Pläne der Eigentümer sehen in Zukunft ein Skigebiet mit 270 Pistenkilometern und 54 Skiliften vor, um reichen Russen eine Alter-native zu Sotschi zu bieten. Die Rohbauten um uns herum zeugten jedenfalls von dieser ehrgeizigen Planung. Im Vergleich zum „modernen“ Look im Resort entsprach das ursprüngliche Dorf Arkhyz schon eher dem russischen Stereotyp, dem wir nach dem Frühstück einen kurzen Besuch abstatteten. „Dorf“ ist hier im Grunde genommen schon übertrieben, denn mehr als 20 heruntergekommene Häuser und ein kleiner Markt an der Straße, auf dem wohlbeleibte Muttis selbst hergestellte Waren wie Honig, Strickwaren oder Kräutermischungen verkauften, war hier nicht zu finden. Wir befanden uns in einer anderen Zeit, denn Esel, Kühe, Gespanne und Fahrzeuge aus der ehemaligen Sowjetunion prägten das Bild. Alles zusammen spiegelte die Diskrepanz zwischen Arm und Reich wider, die in Russland allgegenwärtig ist.

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[vc_custom_heading text=”Auch wenn wir motiviert an die Sache herangingen und uns
mit Schaufeln bewaffnet ein paar Hits gebastelt hatten,
war das Ergebnis doch eher ernüchternd.” font_container=”tag:div|font_size:30|text_align:center” google_fonts=”font_family:Satisfy%3Aregular|font_style:400%20regular%3A400%3Anormal”][vc_custom_heading text=”First Shots”]

Nachdem wir uns mit Souvenirs eingedeckt und im einzigen Supermarkt noch einen Schwung Bier für die chillige Nachmittagsgestaltung eingepackt hatten, machten wir uns wieder auf den Weg zurück zum Hotel. Am nächsten Tag wag-ten wir schließlich einen ersten Ausflug in das kleine Skigebiet, das wie gesagt bislang nur aus zwei Liften bestand, die einen knapp über die Baumgrenze befördern. Es hatte zwar in der Nacht etwas geschneit, doch die frühlingshaften Temperaturen hatten die frische Auflage inzwischen schon in einen pampigen Brei verwandelt, sodass wir lediglich zwischen den Bäumen luftiges Weiß aufstöberten. Auch wenn wir motiviert an die Sache herangingen und uns mit Schaufeln bewaffnet ein paar Hits gebastelt hatten, war das Ergebnis doch eher ernüchternd. Es wurde langsam Zeit, dass sich die Strapazen der Anreise auszahlen mussten

[vc_custom_heading text=”Vodka und Piloten”]

Abends trafen wir beim Abendessen Arseniy, einen der beiden Piloten von Heliski Caucasus, mit denen wir unsere nächsten Tage durchplanen wol-ten. Wir staunten nicht schlecht, als wir im Restaurant auf Snowboard-Urgestein Ueli Kestenholz stießen. Er war mit einer Schweizer Crew ebenfalls in Arkhyz gelandet, um für Völkl passende Snowboard-Footage zu produzieren. Zwei Russen, fünf Schweizer und ich als Deutscher – was für eine illustre Runde. Später gesellte sich dann ein weiterer „Pilot“ zu uns. Er sei Russe, 60 Jahre alt und im Zweiten Weltkrieg eine Propellermaschine geflogen. Vielleicht wollte er uns mit seiner 1,5-Liter-PET-Flasche, die randvoll war mit einer üblen Wodka-Eigenkreation, davon abhalten, genauer nachzurechnen, wie lange denn nun das Kriegsende zurücklag. Wir stießen jedenfalls mit dem jüngsten Kampfpiloten a.D. aller Zeiten an, machten uns aber zeitig vom Acker, da wir uns am nächsten Morgen an der Heli-Base verabredet hatten, um von dort in die Berge zu fliegen.

[vc_custom_heading text=”Wir hätten es nicht besser timen können, denn die Bedingungen waren perfekt
und wir konnten in jegliches Gelände einfahren. Wir deuteten nur
noch auf Gipfel und wurden genau da abgesetzt, wo wir es wollten – geil, geil, geil!” font_container=”tag:div|font_size:30|text_align:center” google_fonts=”font_family:Satisfy%3Aregular|font_style:400%20regular%3A400%3Anormal”]

Leider war das Wetter über Nacht komplett umgeschlagen und schon beim Frühstück war klar, dass der Heli bis zum Nachmittag sicher nicht abheben könnte. Auch für den nächsten Tag sah der Wetterbericht nicht gerade vielversprechend aus, doch wir näherten uns den beiden Helis wenigstens bis auf Sichtweite. Zumindest David und ich. Weil der kleine Lama nur bei sicheren Verhältnissen fliegen darf, mussten wir uns den größeren Eurocopter mit Uelis Crew teilen. Dies hatte zur Folge, dass wir „Schnick-Schnack-Schnuck“ spielen mussten, welche zwei von meinem Team die verbliebenen beiden Sitzplätze ergattern würden. Tom hatte schließlich die A-Karte gezogen und blieb angesäuert im Hotel zurück. Doch vorerst schien sich kein Wetterfenster aufzutun und so nutzten David und ich die Zeit für den wohl ersten Rail-Shot an einem Hubschrauberlandeplatz.

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[vc_custom_heading text=”Come on….”]

Schließlich besserten sich unerwartet die Bedingungen und irgendwie hatten wir uns mit Arseniy geeinigt, doch beide Crews komplett mit einer Maschine abwechselnd zu shuttlen, sodass Tom doch noch in den Genuss eines Heli-Flugs kommen würde. Nach dem ersten Run über Bruchharsch ließen wir uns auf einen Gipfel über einem recht steilen Nordhang liften. Doch kurz nachdem das Rattern der Rotoren verstummt war, verschluckte uns eine dichte Wolkendecke und wir befanden uns im Inneren eines weißen Raums. Ohne Orientierung stocherten wir recht hilflos den Berg hinunter. Okay, auch dieser Tag war noch nicht das, wovon wir zu Hause in Deutschland oder in der Schweiz geträumt hatten. Auch die Botschaft, dass die beiden Piloten am nächsten Nachmittag zurück nach Sotschi müssten, trug nicht gerade zur Entspannung der Gesamtsituation bei. Als Entschädigung für die Verkürzung unserer zugesagten Heli-Time wollten uns die beiden aber mitsamt unserem Gepäck quer über den Kaukasus zurück nach Sotschi fliegen, sodass wir noch einen Skitag in Krasnaja Poljana hätten. Nicht ganz das, was wir erwartet hatten, aber immer noch besser, als wieder 16 Stunden in dem verkackten Lada eingezwängt zu sein. Das negative Gefühl zu Beginn der Reise schien sich also zu bewahrheiten.

[vc_custom_heading text=”The perfect Day”]

Doch wir hatten unseren Borschtsch abends brav ausgelöffelt, denn am nächsten Morgen empfing uns strahlend blauer Himmel. Bereits um acht Uhr morgens wurden die Turbinen angeschmissen und kurze Zeit später knatterten auch schon die Rotoren über der HeliBase. Das erste Bild wollte ich direkt von der Landeplattform schießen und die beiden Jungs auf dem Hang gegen-über ablichten. Drei, zwei, eins, Drop-in! Der erste Shot war also im Kasten. Und nachdem zuerst ich, dann Tom und David am Fuß des Hangs eingesammelt waren, ging es hinein in die tief verschneite Bergwelt. Wir hätten es nicht besser timen können, denn die Bedingungen waren perfekt und wir konnten in jegliches Gelände einfahren. Wir deuteten nur noch auf Gipfel und wurden genau da abgesetzt, wo wir es wollten – geil, geil, geil! So verlief der komplette Tag und wir hatten unglaublich schnell beste Shots eingesackt – Lines, Drops und Turns. Es blieb sogar Zeit für einen Soul Run, bis das Highlight am Ende des Tages auf uns wartete: Ich erblickte eine gewaltige Wechte, die sich vertikal wie eine Quarterpipe den Hang hinunterzog. Die Natural Hits an diesem Feature waren die letzten Shots, die ich in Arkhyz schoss. Wenig später knatterten wir schon über den Kaukasus und landeten schließlich in Sotschi.

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In Krasnaja Poljana hatten wir noch einen chilligen Tag im Skigebiet, bevor wir am Abend unseren Trip gebührend feierten. Zuerst Burger, dann Bier und schließlich Wodka. Nachts crashten wir noch eine Party, die im Zuge der Bob-Weltmeisterschaft für die teilnehmenden Athleten geschmissen wurde. Man kann nicht gerade behaupten, dass ich ein Hänfling wäre, aber neben den bärtigen Anschieberinnen in ihren High Heels sah ich doch etwas verloren aus. Das war auch das letzte Bild, das ich von Russland noch in Erinnerung behalten habe, denn am nächsten Morgen ging unser Flieger zurück in die Heimat.

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