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Liebe auf den ersten Blick

Ich erinnere mich noch genau, als wir in jenem Februar 1999 in Nelson einrollten und voller Erwartungen waren. Meine Reisegruppe war eine Horde schwedischer Freerider, die nur da­rauf warteten, fette Movie-Segmente einzusacken. Es waren Rider der Free Radicals Crew, die damals einige der progressivsten Filme produzierte, die die Welt je gesehen hatte. Ich war zu der Zeit Schreiberling und Fotograf beim schwedischen Skimagazin „Åka Skidor“ und meine Aufgabe sollte es sein, eine schöne Story aus dem Free-Radicals-Trip zu schmieden. Wir alle hatten schon Geschichten über den bodenlosen kanadischen Powder in British Columbia gehört. Schließlich waren Freunde von uns schon einmal drüben und kamen danach aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Ihre Erzählungen klangen exotisch und handelten von riesigen Pick-up-Trucks, kriechenden, alten Liften, bärtigen Hippies, um die stets eine Marihuana-Wolke waberte, alternativem Essen und Ski Bums ohne Ende.

„Sie handelten von bärtigen Hippies, um die stets eine Marihuana–Wolke waberte, und Ski Bums ohne Ende.“

Von dem Moment an, als wir im Hostel „The Dancing Bear“ auf der Baker Street eincheckten, war alles nur noch wie in einem fast schon zu schönen Traum. Bis zu unserer Ankunft hatte es bereits zwölf Meter gedumpt, was anscheinend ein Rekord der letzten Winter war. Die Schneebänke oben in Whitewater waren gigantisch! Der Trip, von dem ich erzähle, fand eben in einer Zeit statt, in der noch niemand von Klimawandel sprach und der berühmte Kootenay Cold ­Smoke eiskalt und trocken war, was ihn ex­trem langlebig machte. Letzteres wäre aber gar nicht nötig gewesen, denn es dumpte normalerweise ein paar Mal die Woche gute 30 Zentimeter. Perfekte Voraussetzungen also, zudem waren nur wenige Leute in Whitewater unterwegs, weswegen null Stress um irgendwelche First Tracks aufkam. Es war besser, als wir je zu träumen gewagt hätten. Steile Rinnen, Big Mountain Lines vom Ymir Peak und Face Shots in der berühmten Backside Bowl. Das Terrain ist Weltklasse und wir wollten eigentlich nie wieder weg. Neben dem Skifahren waren es die Vibes in Whitewater und der Hippie-Stadt Nelson, die uns in ihren Bann zogen.

Geschichtsstunde

Im späten 19. Jahrhundert nahm der große Goldrausch Besitz von British Columbia und Nelson wurde ein wichtiger Ort auf der Transportroute der Schürfer. Der Goldrausch brachte den Menschen Arbeit und Brot und die ansässigen Minenbetreiber wurden gleichzeitig immer größere Spe­di­tionen. Nelson verwandelte sich in ein regelrechtes Vertriebs-Center. Die Wandlung von einem kleinen Hinterwäldlerkaff zur entwickelten Stadt mit wunderschöner Architektur vollzog sich dadurch sehr schnell.

Viele Jahrzehnte später suchten während des Vietnamkriegs zahlreiche amerikanische Wehrdienstverweigerer Zuflucht in Nelson und im Umland. Die­ser Zuwachs an liberalen und meist gebildeten jungen Menschen hatte einen maßgeblichen Einfluss auf die kulturelle und politische Demografie der Region. Es ist noch heute deutlich spürbar, dass Nelson ein Anziehungspunkt für Kreative und Lebenskünstler ist. Das erkennt man zum Beispiel an den Restaurants, Bars und Cafés, die sich ins Stadtbild einfügen. Es gibt je­de Menge alternative Rückzugsorte, an denen die Hippies es sich gemütlich machen. Doch täuscht euch nicht: Wenn der Schneefall einsetzt, wissen diese ganz genau, wo sich die geheimen Powder Stashes befinden.

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