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Arctic Circle – Surfen & Skifahren in Norwegen (4/6)

Nach einer windigen und lauten Nacht im Wohnmobil, tief im Schlafsack eingewickelt, weckten mich eine aufgeregte Stimme und der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee. Die Vorfreude auf den heutigen Surftag ließ Daniel früh aufwachen. Nun stand er in die Wohnmobiltür vor mir, eine volle Kanne Kaffee und Rentierfleisch in der Hand, und meinte, ich solle doch mal die Wellen da draußen checken. Das plötzliche Tageslicht stach mir in den Augen, ich hatte Kopfschmerzen von der kalten Nacht.

In den letzten Tagen war es am Morgen dank der Sonne immer angenehm warm gewesen, heute war der Himmel bedeckt, und es war eiskalt. Ich blickte durchs Fenster auf die Bucht und sah perfekte Wellen. Es dauerte keine zwei Sekunden, und ich war hellwach.

„Morgens waren wir surfen, am Abend gingen wir Skifahren – alles vom gleichen Ausgangspunkt.“

Foto: Sofia Sjöberg
Foto: Sofia Sjöberg

In den folgenden Tagen konfrontierte uns das norwegische Wetter mit all seinen Facetten. Mal garantierten Offshore-Winde einwandfreie Wellen, flauten im nächsten Moment jedoch ab, und das Meer verschwamm zu einer chaotischen Suppe unsurfbarer Verhältnisse. Wenig später sorgte dann die Sonne dafür, dass der weiße Sandstrand in Verbindung mit dem tiefblauen Wasser wie auf einer einsamen indonesischen Insel wirkte.

Foto: Sofia Sjöberg
Foto: Sofia Sjöberg

Mit der Zeit zeigte sich, dass die Surfbedingungen in den Abendstunden am besten waren. Insgesamt sahen wir nie mehr als sechs Leute gleichzeitig im Line-Up. Manchmal waren wir sogar ganz allein. Sogar die Einheimischen freuten sich über unsere Anwesenheit und teilten bereitwillig mit uns die Wellen des Righthanders am nördlichen Ende der Bucht. In unseren dicken Winter-Wetsuits fühlte sich das Wasser für diese Breitengrade überraschend mild an. Ein Hoch auf den Golfstrom, dank ihm mussten wir in diesen gewaltigen Wellen nicht um Eisblöcke surfen. Nach drei Tagen in Unstad fühlte sich unsere Surfmuskulatur schlapp an, und sogar das Meer schien fürs Erste aufgegeben zu haben. Der Wind flaute vollständig ab.

Der Beachbreak bot nun zur Freude unerfahrenerer Surfer hüfthohe Longboardwellen. Da immer noch kein Neuschnee prognostiziert war, beschlossen wir, noch eine weitere Nacht auf den Lofoten zu bleiben und unseren Aufenthalt mit einer Skitour auf den südlichen Begrenzungsberg der Bucht abzuschließen. Eine schmale, der Sonne abgewandte, wie aus dem Granit geschnitzte Rinne gab uns schließlich wieder die Möglichkeit zum Skifahren. Dieses 400 Höhenmeter lange, nordseitige Couloir bot zwar nichts Extremes, war aber trotzdem so steil, dass wir stets konzentriert bleiben mussten.

Simon setzte perfekte Jump-Turns vor Daniels Linse und jubelte laut, er werde nun Profi-Steilwandfahrer. Plötzlich war dieses perfekte Licht wieder da, die Szenerie wirkte nun völlig surreal. Die letzten Meter zu den Wohnmobilen bewältigten wir dann wieder zu Fuß in Turnschuhen, die Skiausrüstung an die Rucksäcke geschnallt. Wir verloren kein einziges Wort und genossen einfach die Atmosphäre.

Morgens waren wir surfen, am Abend gingen wir Skifahren – alles vom gleichen Ausgangspunkt. Jetzt realisierten wir, dass es weder der perfekte Schnee noch irgendwelche Erstbefahrungen waren, weshalb wir hier waren. Es waren einmalige Erlebnisse wie dieses, bei dem der Kontrast und die Unternehmung an sich wichtiger ist als die Anzahl von Likes und Views im Internet. Alles schien vergessen, wir waren hier im Urlaub. Mit Hilfe unserer rollenden Häuser begannen wir schließlich wieder, die scheinbar endlosen Möglichkeiten um uns herum zu erkunden.

In Beisfjord südlich von Narvik harrten wir drei lange Tage in hartnäckigem Regen aus. Backgammon-Turniere halfen uns, die Zeit totzuschlagen. Wir warteten darauf, das beeindruckende Skamdalsrennan Couloir – ein steiler und schmaler Graben, der über hundert Meter tief in den Berg einschneidet – befahren zu können.

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