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Alaska aus eigener Kraft (5/5)

Abschied

So stehe ich nun das letzte Mal für diesen Trip am Gipfel und ich nehme mir einen Moment Zeit, unser La­ger weit unter uns zu betrachten. Es war unsere Heimat in den letzten paar Wochen und ich werde es trotz aller Unannehmlichkeiten vermissen. Der überstandene Schneesturm ist schon beinahe vergessen und unsere Zelte stehen wieder komplett frei. Nun sieht es eher aus wie im Film „Überleben!“ anstatt des eingeschneiten Zeltdorfs, das es noch Tage zuvor war. In nur wenigen Stunden werden wir wieder in der Zivilisation sein mit all ihren Vor­zügen wie WiFi, Gehwegen und Sani­täranlagen.

Aber noch haben wir einen letzten Run vor uns, der das Sahnehäubchen unseres Trips werden soll – eines Trips, der uns die Augen geöffnet hat, was aus eigener Kraft alles möglich ist.
In der Nacht hat es noch einmal 30 Zentimeter gedumpt und so ist klar, dass eine Menge Sluff unterwegs sein wird. Dane soll heute den Anfang ma­chen und Ian als Nächster folgen. Bei beiden Lines lösen sich große Schneebretter, die zu etwas Aufregung während der

letzten Runs beitragen. Wieder einmal stehe ich allein hier oben und mache mir Gedanken. Auf diesem Trip waren einsame Momente selten und so empfinde ich diesen als Belohnung und genieße ihn in vollen Zügen.

Ich werde aus meiner Glückseligkeit gerissen und mache mir klar, dass ich nun ran darf. Unten wartet schließlich noch ein komplettes Camp, das abgebaut werden möchte. Ich atme also noch einmal tief durch und mache mich bereit. Der Schnee sieht perfekt aus und es fällt mir leicht, den Drop-in zu präparieren. Immer wieder schießen kleine Schneebretter unter mir in die Tiefe, teilen sich an den ­Spines auf und fließen in die verschiedenen Gullies.

Ich sehe den Schnee glitzern und schon jetzt weiß ich, dass diese letzte Line nicht viel anders als die der letzten Tage sein wird – nämlich perfekt! Der Countdown setzt ein, und noch bevor ich das letzte Mal eindroppe, weiß ich, dass ich nächstes Jahr wieder hier stehen werde, um in exakt diesem Moment bei exakt diesem Schnee ­exakt dieses Gefühl zu erleben. 3… 2… 1… und die Realität hat mich wieder. Ich droppe in eine weitere Line, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde.

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